Was geschieht mit den Gefangenen?
2439 Soldaten aus dem Stahlwerk Mariupol in Gefangenschaft– Austausch ist denkbar
Berlin/Kiew – Mit der Aufgabe des weitläufigen Stahlwerkes Mariupol fiel Russland im Krieg gegen die Ukraine nicht nur eine strategisch wie symbolisch wichtige Hafenstadt endgültig in die Hände, es ergaben sich nach russischen Angaben auch insgesamt 2439 ukrainische Soldaten, darunter 78 Frauen. Um sie wachsen in der Ukraine und im Westen die Sorgen.
Wer hat in Mariupol vor allem gekämpft
Im Zentrum der wochenlangen Verteidigung im Stahlwerk stand das Asow-Regiment, das 2014 die zeitweise Besetzung Mariupols beenden konnte und sich in Teilen aus Neonazis und Nationalisten zusammensetzt. Die nun öffentlich in Russland vorgeführten neonazistischen Tätowierungen auf dem Körper entblößter Gefangener dienen zum Beleg der angeblichen Motivation Russlands für die „Spezialoperation“, die Ukraine von Nationalsozialisten zu befreien.
Ist ein Gefangenenaustausch möglich
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenkyi hat ihn mehrfach angeregt. Seit Februar brachte das ukrainische Militär immer mehr russische Soldaten in seine Gewalt. Von russischer Seite könnte ein besonderes Interesse an dem pro-russischen Geschäftsmann Viktor Medwedtschuk
bestehen, der in der Ukraine Mitte April festgenommen wurde und der ein Vertrauter von Russlands Präsident Wladimir Putin zu sein scheint. Allerdings wollen Politiker in Russland ukrainische Gefangene vor Gericht stellen. Das ist eigentlich nur möglich, wenn ihnen Kriegsverbrechen nachgewiesen werden können In Moskau laufen Bestrebungen, das Asow-Regiment als Terror-Organisation zu qualifizieren.
Was ist versäumt worden
Europa-Parlamentes, GrünenPolitikerin Viola von Cramon, können sich am Beispiel Mariupols alle bestätigt fühlen, die in der Ukraine vor einer wie auch immer gearteten Verhandlungslösung gewarnt haben. Nun gebe es noch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Kriegsgefangenen für Schauprozesse in Russland missbraucht oder mit brutalen Folterungen Zwangsgeständnisse aus ihnen herausgepresst würden. „Die Vereinten Nationen hätten dafür sorgen müssen, dass es unter ihrer Aufsicht einen Austausch nach internationalen Standards gegeben hätte“, erläutert
die Außenpolitikerin weiter.
Was sagt die EU
Michael Gahler, der außenpolitische Sprecher der EVPFraktion im Europa-Parlament, verweist darauf, dass die Kriegsgefangenen von Mariupol „reguläre Kombattanten unter dem Oberbefehl des ukrainischen Präsidenten“seien. Es sei somit klar: „Russland und seine Schergen im Donbas haben kein Recht, diese Soldaten anders zu behandeln als alle anderen ukrainischen Kriegsgefangenen.“
Wie reagiert die Bundesregierung
In Berlin sind die Meldungen aus Mariupol Anlass für wachsende Sorge. „Der Krieg ist eine blutige Bestie, aber kein regelfreier Zustand“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann unserer Redaktion. „Die massiven Verstöße Russlands gegen das Völkerrecht sind völlig inakzeptabel sie erfüllen uns aber auch mit großer Sorge mit Blick auf die Bevölkerung der Ukraine und die nun in Gefangenschaft geratenen Soldaten“, erklärte der FDP-Politiker.