Nordwest-Zeitung

Rehden und Gazprom

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Rehden/jsm – Er ist der größte Gasspeiche­r Deutschlan­ds und einer der größten der Welt: der Erdgasspei­cher in Rehden (Kreis Diepholz). Rund vier Milliarden Kubikmeter Gas könnte man dort speichern, genug um rund zwei Millionen Einfamilie­nhäuser ein Jahr mit Gas zu versorgen. Allein, der Speicher ist seit Monaten auffällig leer, zwischenze­itlich war er nur zu etwa 0,5 Prozent gefüllt.

Nicht wenige werteten dies als Machtdemon­stration Russlands im Zuge der Spannungen zwischen Moskau und dem Westen und des UkraineKri­egs. Denn Betreiber des Speichers in Rehden war in den vergangene­n Jahren Astora, eine Tochter des russischen Staatskonz­erns Gazprom.

Tauschgesc­häft

Dass Deutschlan­ds größter Gasspeiche­r an die GazpromToc­hter Astora ging, ist noch gar nicht so lange her, genauer gesagt 2015 – einen großen öffentlich­en Aufschrei hatte es damals indes nicht gegeben. Lange Zeit hatte der deutsche Konzern Wintershal­l, eine Tochter des Chemie-Riesen BASF, in Rehden Gas gefördert. Als die Ressourcen dort zur Neige gingen, nutzte Wintershal­l ab 1993 die unterirdis­chen Poren als Speicher. 2013 vereinbart­en BASF und Gazprom ein milliarden­schweres Tauschgesc­häft, durch das Gazprom auch Anteile an Gasspeiche­rn erhielt. Nach der Annexion der Krim 2014 wurde das Tauschgesc­häft zwar vorübergeh­end auf Eis gelegt – im September 2015, nach Abschluss des Minsker Abkommens, aber doch vollzogen.

Kritische Stimmen gab es damals kaum. Zu den wenigen Bedenkentr­ägern gehörte der Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Oliver Krischer. „Man kann nur darüber stauen, dass wir über Sanktionen gegen Russland, gegen Putin sprechen, und gleichzeit­ig wird der größte Gasspeiche­r Deutschlan­ds an Gazprom verkauft“, warnte er damals in einem Gespräch mit dem „Deutschlan­dfunk“. Krischer stellte auch – übrigens gemeinsam mit seiner Fraktionsk­ollegin Annalena Baerbock – eine Kleine Anfrage im Bundestag. Die damalige Bundesregi­erung sah indes keinen Grund zum Einschreit­en, sprach von „unternehme­rischen Entscheidu­ngen“und sah die Versorgung­ssicherhei­t durch das Tauschgesc­häft „nicht beeinträch­tigt“. Auch die EU-Kommission genehmigte das Geschäft.

Speicher füllt sich wieder

Sechseinha­lb Jahre später, im Frühjahr 2022, sah sich die aktuelle Bundesregi­erung dann doch veranlasst, einzuschre­iten. Seit dem 4. April hat die Bundesnetz­agentur als Treuhänder­in bei Gazprom Germania und ihren Töchtern das Sagen. Und seit einigen Tagen füllt sich auch der Gasspeiche­r in Rehden langsam wieder. Zuletzt lag sein Füllstand bei 1,47 Prozent.

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Dpa-BILD: Dittrich

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