Ist klimafreundliches Fliegen möglich?
Dr. Veatriki Papantoni vom DLR in Oldenburg über CO2 -Verbrauch und neue Antriebe
Fliegen ist längst kein Menschheitstraum mehr. Oft ist es einfach die günstige Möglichkeit, in den Urlaub oder zu einem Geschäftstermin zu reisen. Dr. Veatriki Papantoni (34) arbeitet in der Abteilung Energiesystemanalyse des Instituts für Vernetzte Energiesysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oldenburg. Im Interview erklärt die 34-jährige Wissenschaftlerin, wie viel Kohlenstoffdioxid dabei ausgestoßen wird, welche Chancen sie für klimafreundfreundliche Antriebe sieht und was sie vom Trend zu Ausgleichszahlungen an Dienste wie Atmosfair hält.
Fernreisen mit dem Flugzeug oder dem Kreuzfahrtschiff gelten als ökologische Sündenfälle. Ist das richtig oder übertrieben?
Dr. Veatriki Papantoni: Leider verursachen Flüge tatsächlich viel höhere Belastungen durch Treibhausgase als andere Verkehrsmittel. Zum Vergleich: Durch einen Hin- und Rückflug von Deutschland nach New York fallen etwa 3 Tonnen CO2-Äquivalente an. Das ist doppelt so viel, wie ein Deutscher durchschnittlich in einem ganzen Jahr mit dem Auto, der Bahn und mit dem Bus verursacht. Für eine siebentägige Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer hat das Umweltbundesamt einen Wert von 1,9
Dr. Veatriki Papantoni arbeitet in der Abteilung Energiesystemanalyse des DLR-Instituts für Vernetzte Energiesysteme in Oldenburg.
Tonnen errechnet. Und da müsste man noch die An- und Abreise zum Schiff hinzurechnen.
Zu Ihrer Arbeit als Forscherin am DLR gehört es auch , die Ökobilanz für solche Techniken zu ermitteln. Wie machen Sie das?
Papantoni: Man kann sich das wie eine Art Umweltbuchhaltung vorstellen. Dabei berechnen wir alles, was als Material
oder Energie in das Produkt einfließt und wieder abgeht – und das für die gesamte Lebensdauer. Wie die Materialien vor der Produktion gewonnen und letztlich wieder entsorgt oder recycelt werden, gehört also auch dazu. Für die Ökobilanz gibt es dann verschiedene Kategorien, nicht nur die Klimawirkung. Mit diesen Werten können wir dann verschiedene Technologien miteinander vergleichen.
Sie haben sich auf Antriebstechnologien für Flugzeuge spezialisiert. Gibt es durch neue Antriebe oder Treibstoffe eine Chance auf klimaneutrales Fliegen? Papantoni: Sicher nicht in der sehr nahen Zukunft. Klimaneutralität im eigentlichen Sinne wird ohnehin kaum erreichbar sein. Wir arbeiten daran, deutlich klimafreundlichere Flugzeuge zu entwickeln. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass Flugzeuge lange Lebenszyklen von etwa 30 Jahren haben. Selbst wenn wir heute schon ein klimaneutrales Flugzeug hätten, würde es viele Jahre dauern, bis ganze Flotten durch die neue Technik ersetzt werden.
Welche Technik ist für die gescholtenen Fernreisen die vielversprechendste? Papantoni: Für sehr lange Strecken bieten sich laut unseren Studien Turboantriebe mit regenerativ erzeugtem Kerosin an. Das ließe sich technisch relativ leicht auch auf die schon vorhandenen Flugzeuge anwenden. Dafür müssten die erneuerbaren Energien allerdings viel stärker ausgebaut werden, schließlich wird zur Herstellung synthetischen Kerosins viel Strom benötigt. Außerdem wäre dieser Treibstoff teurer als fossiles Kerosin.
Bei der Gelegenheit – ist Fliegen zu billig? Papantoni: (lächelt) Nach meiner persönlichen Meinung – ja. Und ich denke, dass Fliegen in Zukunft zwangsläufig teurer werden wird.
Glauben Sie als Forscherin, dass wir die Klimaziele durch technische Innovationen erreichen können, oder werden wir unser Verhalten ändern müssen?
Papantoni: Diese Frage stellen wir Wissenschaftler uns auch. Es gibt sogar Studien dazu, und die kommen zu dem Schluss, dass Innovationen es allein wohl nicht richten werden. Zumal uns nicht viel Zeit bleibt, wenn wir die Umweltund Klimabelastung effektiv senken wollen.
Für Flugreisen kann man inzwischen Ausgleichszahlungen bei Anbietern wie atmosfair leisten, die das Geld in klimaschützende Projekte investieren. Was halten Sie davon? Papantoni: Solche Initiativen bewirken immerhin, dass Umweltprojekte unterstützt werden und sich das Bewusstsein für die Belastungen der Umwelt und des Klimas weiter durchsetzt. Doch ein richtiger Ausgleich ist das nicht. Jedes Kilogramm Treibhausgas, das erst gar nicht in die Atmosphäre gelangt, ist effektiver als solche Zahlungen.
Haben Sie für sich schon eine gute Lösung für Urlaubsreisen gefunden? Papantoni: Nicht wirklich. Ich besitze kein Auto und reise innerhalb Deutschlands und in die Nachbarländer mit dem Zug. Seit zwei Jahren bin ich pandemiebedingt nicht geflogen, doch ich werde sicher auch wieder mit dem Flugzeug unterwegs sein. Ein sehr gutes Gewissen habe ich selbst dabei allerdings nicht. Aber ich hoffe, dass unsere Forschung dazu beiträgt, dass wir alle in Zukunft wieder mit etwas besserem Gefühl reisen können.