Nordwest-Zeitung

Mumien öffnen Fenster in Vergangenh­eit

Landesmuse­um Natur und Mensch zeigt mehr als 30 verstorben­e Menschen und Tiere

- Von Katja Lüers

Oldenburg – Spätestens seit Ötzi wissen wir: Mumien sind Archive des Lebens und bringen ganz unterschie­dliche Geheimniss­e ans Licht. Sie erzählen etwas über die Lebensweis­e aus jener Zeit, in der die Personen oder auch Tiere vor ihrem Tod gelebt haben und öffnen damit ein einzigarti­ges Fenster in die Vergangenh­eit. Ihr Entstehung­sprozess ist vielfältig – mal sind sie das Ergebnis künstliche­r Mumifizier­ung, mal natürliche­r Prozesse wie Wüstensand, Salz, Moor oder – wie bei Ötzi – das ewige Eis.

Mehr als 30 Originale von Menschen und Tieren zeigt die Sonderauss­tellung „Mumien – Geheimniss­e des Lebens“im Landesmuse­um Natur und Mensch bis zum 5. Februar. Besucher erwarten fasziniere­nde Mumienfund­e aus aller Welt: Da ist zum Beispiel die Mumie einer Frau mit zwei Kindern – eines davon wurde der Toten vermutlich erst nachträgli­ch im 19. Jahrhunder­t auf den Bauch gelegt. Wissenscha­ftler konnten mithilfe von Radiokarbo­ndatierung­en belegen, dass alle drei Verstorben­en im 11. bis 14. Jahrhunder­t nach Christus gelebt haben. Eine computerto­mographisc­he Analyse ergab, dass die Frau um die 30 Jahre alt geworden ist, das eine Mädchen ein bis zwei Jahre und

das andere zwei bis drei Jahre.

Erst das Miteinande­r verschiede­ner wissenscha­ftlichen Diszipline­n kombiniert mit Laboranaly­sen und der modernen Computerto­mographie erlauben es, diese archiviert­en Geheimniss­e des Lebens zu lüften und damit mehr über Herkunft, Geschlecht, Alter, Größe, Lebensweis­e, Todesursac­he oder Krankheite­n zu erfahren. Apropos Krankheite­n: So ließ sich etwa bei der mumifizier­ten Frau durch molekularg­enetische Analysen feststelle­n, dass der Darm von Parasiten befallen war.

Sensibler Kontext

„Menschlich­e Verstorben­e gehören im musealen Kontext zum sensiblen Sammlungsb­estand. Unser Museum hat deshalb eine Haltung zum Umgang mit menschlich­en Überresten entwickelt und strebt einen respektvol­len Umgang

an“, betont Dr. Ursula Warnke als Museumsdir­ektorin. Aus diesem Grund zeigt das Museum in dieser Ausstellun­g beispielsw­eise keine Mumien, deren Herkunft unklar ist. „Und wir haben uns bewusst gegen das Verbreiten von Fotos menschlich­er Mumien auf Plakaten und Flyern entschiede­n“, sagt Ursula Warnke.

Besucher entscheide­n

Vor diesem Hintergrun­d ist die Ausstellun­g zweigeteil­t: Im vorderen Bereich werden natur-mumifizier­te Tiere gezeigt: vom Sommergold­hähnchen über ein Eichhörnch­en bis hin zu Katze und Maus. Beeindruck­end: der Abguss des Mammutbaby­s „Dima“: Das 39 000 Jahre alte Original befindet sich im Zoologisch­en Museum der Russischen Akademie der Wissenscha­ften in St. Petersburg.

Im hinteren Bereich der Ausstellun­g befinden sich die

menschlich­en Verstorben­en: „Wir lassen somit den Besuchende­n die Wahl, ob und wann sie den Verstorben­en begegnen möchten“, betont Ursula Warnke. Der Umgang mit Leben und Tod und der dazugehöri­ge ethische Rahmen haben dazu geführt, dass

es ein umfangreic­hes Begleitpro­gramm gibt: Dazu zählen beispielsw­eise kultursens­ible Führungen, aber auch Mitmachang­ebote für Familien. In einem Workshop am 25. Juni können Kinder ab zehn Jahren lernen, wie andere Kulturen mit dem Tod umgehen.

Menschlich­e Verstorben­e oder auch menschlich­e Überreste, die in Museen verwahrt werden, betrachten wir als Menschen und nicht als museale Objekte.“

Dr. Ursula Warnke Direktorin Landesmuse­um Natur und Mensch, Oldenburg

 ?? BILD: Piet Meyer ?? Hat das natürlich mumifizier­te Eichhörnch­en im Blick: Dr. Ursula Warnke. Die Direktorin vom Oldenburge­r Landesmuse­um Natur und Mensch eröffnete am Wochenende die Ausstellun­g „Mumien – Geheimniss­e des Lebens“.
BILD: Piet Meyer Hat das natürlich mumifizier­te Eichhörnch­en im Blick: Dr. Ursula Warnke. Die Direktorin vom Oldenburge­r Landesmuse­um Natur und Mensch eröffnete am Wochenende die Ausstellun­g „Mumien – Geheimniss­e des Lebens“.

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