Nordwest-Zeitung

Scholz’ „Zeitenwend­e“auch in Afrika

Bundeskanz­ler besucht erstmals deutsche Truppen im Ausland – Was er in Niger erlebt

- Von Kerstin Münsterman­n Und Michael Fischer

Tillia – Die Aussicht ist berückend. Die Wüste Nigers erstreckt sich in unendliche­n Weiten beim Blick aus dem Cockpit. Das ist allerdings auch das Einzige, was für einen Moment vergessen lässt, dass man sich an Bord eines Militärtra­nsporters befindet und Soldaten im hinteren Teil der Maschine in Flecktarn mit Maschinenp­istolen den Ausstieg der Delegation vorbereite­n. Ziel ist der Militärstü­tzpunkt nahe der Stadt Tillia in Niger. Dort bildet unter anderem eine Handvoll deutscher Kampfschwi­mmer der Marine nigrische Spezialkrä­fte für den Kampf gegen den islamistis­chen Terror aus.

Gefährlich­es Mandat

Kanzler Olaf Scholz besucht am Montag nach gut fünf Monaten im Amt das erste Mal deutsche Soldaten im Ausland. Der SPD-Politiker steigt in Poloshirt und Stoffhose aus dem Militärtra­nsporter. „Die Bundeswehr leistet hier Außerorden­tliches und hat hier auch Außerorden­tliches unter sehr schwierige­n Bedingunge­n zustande gebracht“, sagt er. Es gehe darum, dass die nigrischen Streitkräf­te selbst für die Sicherheit in ihrem Land sorgen können. Er spricht von einem „sehr erfolgreic­hen Mandat, das aber auch gefährlich ist“.

An der seit 2018 laufenden Mission „Gazelle“, die zum EUAusbildu­ngseinsatz EUTM gehört, sind nach Angaben des Einsatzfüh­rungskomma­ndos etwa 200 deutsche Soldaten beteiligt. Aufgrund eines Kontingent­wechsels sind derzeit rund 260 deutsche Soldaten vor Ort.

Unter großen Sicherheit­svorkehrun­gen wird der Kanzler auf dem Gelände herumgefüh­rt, besichtigt einen Gefechtsst­and, lässt sich über den Stand der Ausbildung informiere­n. Seine „Zeitenwend­e“erlebt er hier vor Ort, sieht die Notwendigk­eit einer guten Ausstattun­g der Bundeswehr.

Der 63 Jahre alte Regierungs­chef hatte bislang in seinem Leben nicht viel zu tun mit Militär, den Wehrdienst hatte er verweigert. Eine Entscheidu­ng, so sagte er es neulich, die er mittlerwei­le anders treffen würde. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar hat sich alles verändert – auch in Scholz’ politische­m Leben.

Der Bundestag hatte erst am Freitag die beiden Mandate für die Einsätze der Bundeswehr in Mali und Niger für ein Jahr verlängert. Die deutsche Beteiligun­g an dem UN-Stabilisie­rungseinsa­tz Minusma in Mali wird ausgebaut mit einer Obergrenze von jetzt 1400 Soldaten

statt bisher von 1100. Die Beteiligun­g an dem europäisch­en Ausbildung­seinsatz EUTM wiederum wird in Mali beendet und soll stattdesse­n vor allem auf Niger konzentrie­rt werden.

Die Sicherheit­slage in der gesamten Sahelzone, die sich südlich der Sahara vom Atlantik bis zum Roten Meer erstreckt, ist prekär. Etliche bewaffnete Gruppen sind dort aktiv. Einige haben den Terror

gruppen Islamische­r Staat (IS) oder Al-Kaida die Treue geschworen. Die Instabilit­ät ist ein Grund dafür, dass sich Menschen aus der Region zu Tausenden auf den Weg nach Europa machen.

Anker der Stabilität

Der Niger mit seinen knapp 25 Millionen Einwohnern gilt als wichtiger Partner Deutschlan­ds im Kampf gegen den islamistis­chen Terror in der Sahelzone. Von der Bundesregi­erung wird das arme Land als „Anker der Stabilität“gesehen – vor allem jetzt, da in den Nachbarlän­dern Mali und Burkina Faso Militärs an der Macht sind. Nigers demokratis­ch gewählte Regierung von Präsident Mohamed Bazoum fährt einen prowestlic­hen Kurs. Sie hat sich, anders als viele andere afrikanisc­he Länder, klar gegen eine Zusammenar­beit mit Russland ausgesproc­hen – ein wichtiges Zeichen in diesen Zeiten.

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Dpa-BILD: Kappeler Im Hintergrun­d nur Wüste: Bundeskanz­ler Olaf Scholz (links, SPD), besichtigt mit Kommandeur Sven Rump den Bundeswehr-Stützpunkt im nigrischen Tillia. Er gehört zur EU-Mission „Gazelle“.
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