Scholz’ „Zeitenwende“auch in Afrika
Bundeskanzler besucht erstmals deutsche Truppen im Ausland – Was er in Niger erlebt
Tillia – Die Aussicht ist berückend. Die Wüste Nigers erstreckt sich in unendlichen Weiten beim Blick aus dem Cockpit. Das ist allerdings auch das Einzige, was für einen Moment vergessen lässt, dass man sich an Bord eines Militärtransporters befindet und Soldaten im hinteren Teil der Maschine in Flecktarn mit Maschinenpistolen den Ausstieg der Delegation vorbereiten. Ziel ist der Militärstützpunkt nahe der Stadt Tillia in Niger. Dort bildet unter anderem eine Handvoll deutscher Kampfschwimmer der Marine nigrische Spezialkräfte für den Kampf gegen den islamistischen Terror aus.
Gefährliches Mandat
Kanzler Olaf Scholz besucht am Montag nach gut fünf Monaten im Amt das erste Mal deutsche Soldaten im Ausland. Der SPD-Politiker steigt in Poloshirt und Stoffhose aus dem Militärtransporter. „Die Bundeswehr leistet hier Außerordentliches und hat hier auch Außerordentliches unter sehr schwierigen Bedingungen zustande gebracht“, sagt er. Es gehe darum, dass die nigrischen Streitkräfte selbst für die Sicherheit in ihrem Land sorgen können. Er spricht von einem „sehr erfolgreichen Mandat, das aber auch gefährlich ist“.
An der seit 2018 laufenden Mission „Gazelle“, die zum EUAusbildungseinsatz EUTM gehört, sind nach Angaben des Einsatzführungskommandos etwa 200 deutsche Soldaten beteiligt. Aufgrund eines Kontingentwechsels sind derzeit rund 260 deutsche Soldaten vor Ort.
Unter großen Sicherheitsvorkehrungen wird der Kanzler auf dem Gelände herumgeführt, besichtigt einen Gefechtsstand, lässt sich über den Stand der Ausbildung informieren. Seine „Zeitenwende“erlebt er hier vor Ort, sieht die Notwendigkeit einer guten Ausstattung der Bundeswehr.
Der 63 Jahre alte Regierungschef hatte bislang in seinem Leben nicht viel zu tun mit Militär, den Wehrdienst hatte er verweigert. Eine Entscheidung, so sagte er es neulich, die er mittlerweile anders treffen würde. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar hat sich alles verändert – auch in Scholz’ politischem Leben.
Der Bundestag hatte erst am Freitag die beiden Mandate für die Einsätze der Bundeswehr in Mali und Niger für ein Jahr verlängert. Die deutsche Beteiligung an dem UN-Stabilisierungseinsatz Minusma in Mali wird ausgebaut mit einer Obergrenze von jetzt 1400 Soldaten
statt bisher von 1100. Die Beteiligung an dem europäischen Ausbildungseinsatz EUTM wiederum wird in Mali beendet und soll stattdessen vor allem auf Niger konzentriert werden.
Die Sicherheitslage in der gesamten Sahelzone, die sich südlich der Sahara vom Atlantik bis zum Roten Meer erstreckt, ist prekär. Etliche bewaffnete Gruppen sind dort aktiv. Einige haben den Terror
gruppen Islamischer Staat (IS) oder Al-Kaida die Treue geschworen. Die Instabilität ist ein Grund dafür, dass sich Menschen aus der Region zu Tausenden auf den Weg nach Europa machen.
Anker der Stabilität
Der Niger mit seinen knapp 25 Millionen Einwohnern gilt als wichtiger Partner Deutschlands im Kampf gegen den islamistischen Terror in der Sahelzone. Von der Bundesregierung wird das arme Land als „Anker der Stabilität“gesehen – vor allem jetzt, da in den Nachbarländern Mali und Burkina Faso Militärs an der Macht sind. Nigers demokratisch gewählte Regierung von Präsident Mohamed Bazoum fährt einen prowestlichen Kurs. Sie hat sich, anders als viele andere afrikanische Länder, klar gegen eine Zusammenarbeit mit Russland ausgesprochen – ein wichtiges Zeichen in diesen Zeiten.