Parteiengezänk statt Lösungen
Für große Vorhaben braucht es manchmal große Koalitionen. Und staatspolitische Vernunft. Die 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr, die Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar angekündigt hat, gehören dazu.
Das Sondervermögen bedeutet in Wahrheit neue Schulden – an der Schuldenbremse vorbei. Verfassungsrechtlich sauber soll dazu mit Zwei-Drittel-Mehrheit das Grundgesetz geändert werden. Die Ampel-Koalition braucht dazu die Unionsfraktion. Eigentlich.
Doch es gibt Zoff zwischen Ampel und Union. Wer gewinnt, wer verliert? Wieder geht es um Taktik. Und leider spielt bei diesem eminent wichtigen Thema Parteipolitik eine zu große Rolle, größer als das große Ganze. Es geht um nicht weniger als darum, dass die Parlaments- und Einsatzarmee Bundeswehr möglichst bald wieder in der Lage ist, ihren eigentlichen Auftrag zu erfüllen: das Land und das Bündnis zu verteidigen. Dafür muss die Truppe besser aus-, um- und aufgerüstet werden. Doch im Moment steht das Ampel-Licht im Bundestag für die Durchfahrt des Großprojektes „Sondervermögen Bundeswehr“auf Rot. Die Union blockiert. Sagt die Ampel. Die Ampel sei sich nicht einig. Sagt die Union. Aber so geht es nicht, weil es um mehr geht: um die Verteidigungsfähigkeit der viertgrößten Volkswirtschaft der Erde – vor dem Hintergrund eines brutalen Angriffskrieges mitten in Europa.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat zuletzt bei mehreren Reden im Bundestag erkennen lassen, dass er entgegen seiner Ankündigung, die Bundesregierung für das Ziel einer besseren Ausstattung der Bundeswehr mit den Stimmen der Union zu unterstützen, lieber in den parteipolitischen Schützengraben steigt. Dabei hätte er als Oppositionsführer eine staatspolitische Rede halten können, wenn er sich denn auch als ein möglicher nächster Kanzlerkandidat von CDU und CSU profilieren will. Merz hat es nicht geschafft, wenigstens in diesem Fall Parteitaktik hintan zu stellen.
Jetzt ist SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der wie viele Parteilinke Manschetten wegen der Aufrüstung der Bundeswehr hat, der Geduldsfaden mit der Union gerissen. Mützenich hat zum Gegenschlag ausgeholt. Notfalls peitsche die Ampel-Koalition die 100 Milliarden Euro neue Schulden dann eben ohne CDU und CSU durch den Bundestag. Wie das, wenn dazu eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig ist? Mützenich verweist dazu auf Artikel 115 des Grundgesetzes, wonach eine einfache Mehrheit genüge, wenn sich das Land in einer Notlage befinde.
Verfassungsrechtlich ist das Manöver riskant. Ist Deutschland tatsächlich in einer solchen Notlage, weil in der Ukraine ein Krieg tobt, der bislang erkennbar nicht auf das Bündnisgebiet übergeschwappt ist? Mützenich will den Druck auf die Unionsfraktion erhöhen. In diesem Fall sollten alle Beteiligten von ihren parteipolitischen Scharmützeln lassen. Die Aufgabe, um die es geht, ist zu groß für das kleine Karo.
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