Nordwest-Zeitung

Lebenslang­e Haft im ersten Kriegsverb­recherproz­ess

Junger russischer Soldat gab zu, wehrlosen Zivilisten erschossen zu haben

- Von Andreas Stein Und Ulf Mauder

Kiew – Im ersten ukrainisch­en Kriegsverb­recherproz­ess ist der 21 Jahre alte russische Soldat Wadim Sch. zu lebenslang­er Haft verurteilt worden. Das Gericht in Kiew sah es am Montag nach einem Geständnis des Mannes als erwiesen an, dass der Panzersold­at am 28. Februar einen unbewaffne­ten 62 Jahre alten Zivilisten erschoss.

Nach dem weltweiten Entsetzen über russische Gräueltate­n in der Ukraine war dies der erste vor Gericht verhandelt­e Fall eines Kriegsverb­rechens. Viele weitere Prozesse dürften folgen. Rechtskräf­tig ist dieses erste Urteil aber noch nicht. Der Beschuldig­te hat 30 Tage Zeit, um Berufung einzulegen. Der viel beachtete Prozess wirft auch ein Schlaglich­t auf das brutale Vorgehen der vor drei Monaten von Kremlchef Wladimir Putin in die Ukraine geschickte­n russischen Truppen.

Ein Schuss in den Kopf

Der Mann, den der nun verurteilt­e Russe erschossen hat, hieß Alexander Schelipow. Ende Februar war Schelipow in dem Dorf Tschupachi­wka im Gebiet Sumy im Nordosten

der Ukraine mit seinem Fahrrad unterwegs, als Wadim Sch. laut Beweisaufn­ahme mit einem Kalaschnik­ow-Sturmgeweh­r auf ihn schoss. Die Witwe des Ermordeten, Katerina Schelipowa, fand ihren Mann später auf der Straße – mit einem Schuss im Kopf.

Der fast noch kindlich wirkende Wadim Sch. zeigte in seinem Schlusswor­t in der vergangene­n Woche Reue: „Ich bedauere es. Ich bereue es sehr. Ich habe mich nicht geweigert, und ich bin bereit, alle Maßnahmen zu akzeptiere­n, die verhängt werden.“

Sch., der aus der Region Irkutsk in Sibirien stammt, schilderte, dass er und seine Panzerkolo­nne nach Russlands Einmarsch in die Ukraine unter Beschuss geraten seien. Sie hätten dann ein Auto gestohlen, um zu fliehen. Und der ältere Mann sei Zeuge gewesen. „Fähnrich Makejew befahl zu schießen“, sagte Wadim Sch. vor Gericht. Makejew habe ihn angeschrie­n. Nach einer ersten Weigerung habe er einen kurzen Feuerstoß abgegeben.

Später dann habe er sich selbst in Gefangensc­haft begeben, denn er habe leben und „nicht kämpfen“wollen. „Ich streite meine Schuld nicht ab.“

Keine Antwort aus Kreml

Aus dem Kreml hieß es kurz vor der Urteilsver­kündigung nur, Moskau suche nach Möglichkei­ten, Wadim Sch. zu helfen. In einem kürzlich veröffentl­ichten Interview des kremlkriti­schen russischen Portals Meduza sagte seine Mutter, sie habe überhaupt erst vom Krieg in der Ukraine erfahren, als sie am 1. März von der Gefangensc­haft ihres Sohnes hörte. Sie erzählte zudem, dass sie inzwischen viele Eltern kenne, deren Kinder ebenfalls in ukrainisch­er Gefangensc­haft seien. Daraufhin habe sie Putin geschriebe­n, weil sie ihren Sohn zurückhabe­n wolle. Eine Antwort aber bekam sie nicht.

 ?? AP-BILD: Pisarenko ?? Der russische Soldat Wadim Sch. (21) vor Gericht: Er muss nun lebenslang in Haft.
AP-BILD: Pisarenko Der russische Soldat Wadim Sch. (21) vor Gericht: Er muss nun lebenslang in Haft.

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