Nordwest-Zeitung

Ärzte wollen mehr Medizin-Studienplä­tze

Personalma­ngel bereitet Sorgen – Warnung vor Kommerzial­isierung des Gesundheit­swesens

- Von Sascha Meyer

Bremen – Die Ärzte warnen vor verschärft­em Personalma­ngel und wachsendem wirtschaft­lichen Druck bei der Patientenv­ersorgung. Preiswettb­ewerb, Kosteneffi­zienz und Renditestr­eben bestimmten mehr und mehr den Alltag, sagte der Präsident der Bundesärzt­ekammer, Klaus Reinhardt, am Dienstag beim 126. Deutschen Ärztetag (24. bis 27. Mai) in Bremen. Gesundheit­sminister Karl Lauterbach rief die Länder zum Ausbau der Medizin-Studienplä­tze auf. Man könne dies nicht kompensier­en, indem man anderen Staaten Ärzte wegnehme. „Das ist unethisch.“Der SPD-Politiker bekräftigt­e, dass für den Herbst wieder mehr staatliche Corona-Schutzvorg­aben benötigt werden. Die Pandemie sei leider nicht vorbei.

Finanzieru­ng reformiere­n

Reinhardt kritisiert­e, Ärztinnen und Ärzte würden von Klinikträg­ern und Finanzinve­storen bei Medizinisc­hen Versorgung­szentren zunehmend angehalten, nach kommerziel­len Vorgaben zu handeln. „Wir dürfen nicht zulasten sen, dass unser Gesundheit­ssystem in ein profitorie­ntiertes Franchise-System umgewandel­t wird. Und wir wollen auch keine industrieg­leichen Abläufe in der stationäre­n Versorgung.“Nötig sei eine Reform der Krankenhau­sfinanzier­ung über die bisherigen starren Pauschalen für Behandlung­sfälle. Der Einfluss von Finanzinve­storen auf ambulante Einrichtun­gen müsse gesetzlich eingedämmt werden.

Die Deutsche Stiftung Patientens­chutz monierte, dass es auch bei Ärzten und gemeinnütz­igen Kliniken unnütze Selbstzahl­er-Leistungen und Doppelunte­rsuchungen gebe. „Geldmacher­ei gibt es nicht nur bei Großkonzer­nen“, sagte Vorstand Eugen Brysch.

Der Ärztepräsi­dent sagte zur Digitalisi­erung im Gesundheit­swesen, sie habe enormes Potenzial, die Versorgung zu verbessern und die Arbeit zu erleichter­n. Anwendunge­n müssten aber auch störungsfr­ei und sicher funktionie­ren. Lauterbach betonte, dass die Priorität auf Anwendunge­n liege, die einen sofort spürbaren Nutzen für Patienwie Ärzte bringen.

Ein Schwerpunk­tthema beim Ärztetag sind Auswirkung­en der Corona-Krise auf Kinder und Jugendlich­e. „Wir müssen Strategien entwickeln, um Kitas und Schulen offen zu halten und den Heranwachs­enden auf diese Weise ein weitgehend normales Leben ermögliche­n“, sagte Reinhardt. Weiteres Thema der viertägige­n Beratungen mit 250 Delegierte­n soll der ärztliche Versorgung­sbedarf in einer „Gesellscha­ft des langen Lebens“sein – also mit Blick darauf, dass es mehr Ältere mit tendenziel­l mehr Erkrankung­en geben dürfte.

„Ruhestands­welle“

Reinhardt sagte, die Corona-Krise verdeutlic­he, wie dünn die Personalde­cke schon heute sei – in den Pflegeberu­fen genauso wie bei Ärztinnen und Ärzten in Praxen, Krankenhäu­sern und Gesundheit­sämtern. Zudem stehe eine „enorme Ruhestands­welle“insbesonde­re bei niedergela­ssenen Ärzten bevor. „Wir brauchen mindestens 15 Prozent mehr Studienplä­tze in der Humanmediz­in, um die Versorgung stabil zu halten“, sagte er.

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Dpa-BILD: Schuldt Bundesärzt­ekammer-Präsident Klaus Reinhardt betonte am Dienstag beim 126. Deutschen Ärztetag in Bremen, dass mehr Studienplä­tze in der Humanmediz­in nötig seien.

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