Wenn die Orgel ein ganzes Orchester ersetzt
Ungewöhnliche Begleitung bei Klavierkonzerten von Mozart und Beethoven in Bremer „Glocke“
Geburtstage: Ian McKellen (1939/Bild), britischer Schauspieler (Trilogie „Der Herr der Ringe“); Walter Schultheiß (1924), deutscher Schauspieler („Global Player – Wo wir sind isch vorne“, „Schwäbische Geschichten“)
Todestag: Willi Fährmann (1929-2017), deutscher Jugendbuchautor und Pädagoge („Der lange Weg des Lukas B.“)
Namenstag: Beda, Maria Magdalena
Gregor,
Bremen – Stellt euch vor, die großen Konzertorgeln erleben eine Renaissance – und die Bremer gehen nicht hin. Jedenfalls schneiden sie ihre Sauer-Orgel in der „Glocke.“Bei einem ungewöhnlichen und faszinierenden Konzert unter dem Titel „Mon orgue, c’est un orchestre – Meine Orgel ist ein Orchester“lässt es sich nicht behaupten, dass die Zuhörer den großen Saal des Konzerthauses „gefüllt“hätten.
Bescheidenes Portal
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehörte es zum Prestige, Konzertsäle mit wuchtigen Orgeln, die an Kircheninstrumente heranreichen, zu bestücken. In Bremen installierte 1928 die Orgelbaufirma Sauer aus Frankfurt/
Oder ein Instrument mit 76 Registern, vier Manualen und Pedal. Seine 6000 Pfeifen verbirgt es hinter einem bescheidenen Frontportal. Aus der
Zeit zwischen den Weltkriegen sind nur noch drei Konzertorgeln erhalten. Die Bremer wurde zuletzt 2005 bis 2008 im Originalzustand erneuert.
Seit 2000 sind erstaunliche Neubauten entstanden, der auffälligste in der Hamburger Elbphilharmonie. Klangmächtige neue Kunstwerke stehen auch in der Duisburger Mercatorhalle oder im Dresdner Kulturpalast. Cameron Carpenter, der derzeit revolutionärste Orgelspieler, hat sich eine fahrbare Orgel mit 186 Registern bauen lassen.
Andere Blickwinkel
Die in der Schweiz lebenden Pianisten und Organisten Els Biesemans und Benjamin Righetti präsentieren an der Sauer-Orgel und einem prächtigen und klanglich klaren Blüthner-Flügel zwei Klavierkonzerte: Mozarts „Jeunehomme“, Es-Dur KV 271 mit Righetti/Klavier und Biesemans/Orgel sowie Beethovens Viertes, G-Dur op. 58 mit Biesemans/Klavier und Righetti/
Orgel. Im auf die Orgel übertragenen Orchesterpart verschieben sich zwar Strukturen, auch lyrische Streicherpassagen sind nicht immer nachzuzeichnen. Doch es öffnen sich erstaunliche andere Blickwinkel.
Spannendes Experiment
Righetti ist ein mitreißend frei gestaltender Mozart-Pianist mit feinem Raffinement. Er weiß, wie sich der dramatische Mittelsatz noch weiter aufladen lässt, ohne zu überzeichnen. Pianistin Biesemans verbindet bei Beethoven zarte Momente einnehmend mit wirbelnden virtuosen Passagen. Das Duell zwischen forderndem Orgelpedal und beschwichtigendem KlavierGegengewicht im Andante wirkt sehr emotional. Ein spannendes Experiment – mit Luft für weitere Versuche.