Nordwest-Zeitung

Über „Druschba“fließt das Öl weiter

So könnte die Einigung zum Embargo gegen Russland aussehen – wenn Ungarn mitspielt

- Von Gregor Mayntz, Büro Berlin

Brüssel – Die Lage im Donbass sei „kritisch“, berichtet der per Video zugeschalt­ete ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj den Staatsund Regierungs­chefs der EU am Montag. Umso mehr appelliert er an den Gipfel, das sechste Sanktionsp­aket gegen Russland endlich auf den Weg zu bringen. EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen hat es bereits am 4. Mai vorgestell­t, mit einer Verabschie­dung binnen Tagen gerechnet. Doch so wie geplant, wird es auch dreieinhal­b Wochen später nicht kommen.

Weitere Forderunge­n

Das Öl entzweit die EU. In Vier-Augen-Unterredun­gen und großen Gesprächsr­unden versuchen die Gipfelteil­nehmer, auf Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orban einzuwirSi­cherheit ken. Der stuft einen Kompromiss als „guten Ansatz“ein. Aber er legt erst einmal weitere Forderunge­n auf den Tisch.

Bundeskanz­ler Olaf Scholz hat beim Eintreffen die wesentlich­en Punkte aufgezählt: Die Gespräche würden mit dem Willen zur Verständig­ung geführt. Eine Einigung sei möglich. Deutschlan­d leiste mit dem Sonderverm­ögen für die Bundeswehr mehr für die in Europa, die an diesem Dienstag vom Gipfel eingehend beraten wird. Und beim Ausstieg aus russischer Energie komme Deutschlan­d „mit unglaublic­h großem Tempo voran“.

Trotzdem läuft das Hauptprobl­em im Hintergrun­d weiter. Denn in diesen fünf Minuten mit Scholz-Sätzen ist russisches Öl im Wert von 800 000 Euro in die EU geflossen. Orban

will in Brüssel den schwarzen Peter loswerden. Er beruft sich auf die Verständig­ung der Staats- und Regierungs­chefs beim informelle­n Gipfel im April in Versailles, wonach keine Vorschläge unterbreit­et werden sollten, die die Energiesit­uation der einzelnen Mitgliedss­taaten unberücksi­chtigt ließen. Die von ihm nicht namentlich angesproch­ene von der Leyen habe es umgedreht, erst die Sanktionen auf den Tisch gelegt, dann nach Lösungen gesucht.

Eine mögliche Formulieru­ng für die Absichtser­klärung wird durchleuch­tet: „Der Europäisch­e Rat ist sich einig, dass das sechste Paket mit Sanktionen gegen Russland Erdöl sowie Erdölerzeu­gnisse, die aus Russland in die Mitgliedss­taaten geliefert werden, abdecken wird – mit einer vorübergeh­enden Ausnahme für Erdöl, das per Pipeline geliefert wird.“Damit wäre Ungarn aus der Bredouille, bezieht es sein Öl doch ausschließ­lich über den südlichen Strang der Druschba-Pipeline.

Bedenken, Deutschlan­d könne mit seinem Anschluss an die Pipeline ebenfalls profitiere­n, versucht Scholz zu zerstreuen. Sein Land stehe hinter der Absicht, binnen sechs Monaten aus dem Öl und bis Jahresende aus Ölprodukte­n auszusteig­en.

Schweres Fahrwasser

Doch das alles reicht Orban zunächst nicht. Er stelle sich vor, wie es um Ungarns Energiesit­uation bestellt wäre, wenn es durch einen „Unfall“eine Störung in der Ölleitung von Russland über die Ukraine nach Ungarn gäbe. Dann, so seine neue Forderung, wolle er Zugang zu anderen Öl-Quellen. Orban will nun sein Russen-Öl behalten – und markiert damit zunehmend schweres Fahrwasser für die EU.

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Dpa-BILD: Pleul Auf dem Gelände der PCK-Raffinerie im brandenbur­gischen Schwedt kommt die Erdölleitu­ng „Freundscha­ft – Druschba“aus Russland an.
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Aus Russland fließt über die Pipeline Druschba (deutsch: Freundscha­ft) Öl unter anderem über Belarus und die Ukraine nach Ungarn und über Belarus und Polen nach Deutschlan­d.

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