Nur mehr Geld reicht nicht
Regierung und Union haben sich nach langem Gezerre endlich auf das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr geeinigt, und das ist gut so. Die fünf Parteien lösen damit ein vom Bundeskanzler vor drei Monaten in seiner „Zeitenwende-Rede“gegebenes Versprechen ein. Es kann auf die neue Bedrohung durch Russland auch gar keine andere Antwort geben: Deutschland muss seine Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit erheblich verbessern, und zwar sehr schnell. Es darf nicht sein, dass die viertgrößte Volkswirtschaft weiterhin über eine marode Bundeswehr verfügt, die Nato-Anforderungen nicht erfüllen kann.
Die Union wollte ein Strohfeuer und Ausgaben auch für andere als für Bundeswehr-Zwecke verhindern. Beide Ziele waren nachvollziehbar. Ihnen trägt die Einigung jetzt Rechnung. Die Union kann das als ihren Erfolg verbuchen. Und die Grünen haben mit Recht durchgesetzt, dass im Bundesetat an anderer Stelle mehr Geld für die Cyber-Abwehr fließen muss. Von zentraler Bedeutung ist nun sicherzustellen, dass die Strukturen im Beschaffungswesen der Bundeswehr endlich verbessert werden: Geld darf auch jetzt nicht verschwendet werden, nur weil es reichlicher vorhanden ist. Warum Deutschland nach den USA, Großbritannien und Frankreich zwar eines der Länder mit den weltweit höchsten Pro-KopfAusgaben für Verteidigung ist, andererseits aber über eine der am schlechtesten ausgerüsteten Armeen verfügt, ist ein unerträgliches Dauer-Problem. Die Einigung hätte an dieser Stelle noch eindeutiger sein können.
Die 100 Milliarden Euro einmalig mit neuen Schulden zu finanzieren, ist ein haushaltspolitischer Trick, ohne den der Fortbestand der Ampel-Koalition wohl nicht möglich gewesen wäre. Denn Finanzminister Lindner will 2023 die Schuldenbremse unbedingt wieder einhalten – das wäre ohne den Schattenhaushalt nicht erreichbar gewesen. Die Kreditaufnahme in diesem Jahr ist aber noch möglich, weil die Schuldenbremse wegen der Corona-Pandemie 2022 noch ausgesetzt ist. Mit dem Trick kann die Ampel leben, wenngleich Lindner als FDP-Vorsitzender dafür viel Prügel einstecken muss.
Allerdings werden die 100 Milliarden Euro schnell aufgebraucht sein. Sie reichen wegen der teuren Beschaffung etwa von neuen Kampfjets allenfalls für fünf Jahre. Wie der Verteidigungsetat ohne Sondervermögen im Rücken bei künftig 70 Milliarden Euro im Jahr stabilisiert werden kann, ist eine Frage, die die nächste Regierung ab 2027 wird beantworten müssen.