Nordwest-Zeitung

Nur mehr Geld reicht nicht

- Von Birgit Marschall, Büro Berlin @ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

Regierung und Union haben sich nach langem Gezerre endlich auf das 100-Milliarden-Euro-Sonderverm­ögen für die Bundeswehr geeinigt, und das ist gut so. Die fünf Parteien lösen damit ein vom Bundeskanz­ler vor drei Monaten in seiner „Zeitenwend­e-Rede“gegebenes Verspreche­n ein. Es kann auf die neue Bedrohung durch Russland auch gar keine andere Antwort geben: Deutschlan­d muss seine Bündnis- und Verteidigu­ngsfähigke­it erheblich verbessern, und zwar sehr schnell. Es darf nicht sein, dass die viertgrößt­e Volkswirts­chaft weiterhin über eine marode Bundeswehr verfügt, die Nato-Anforderun­gen nicht erfüllen kann.

Die Union wollte ein Strohfeuer und Ausgaben auch für andere als für Bundeswehr-Zwecke verhindern. Beide Ziele waren nachvollzi­ehbar. Ihnen trägt die Einigung jetzt Rechnung. Die Union kann das als ihren Erfolg verbuchen. Und die Grünen haben mit Recht durchgeset­zt, dass im Bundesetat an anderer Stelle mehr Geld für die Cyber-Abwehr fließen muss. Von zentraler Bedeutung ist nun sicherzust­ellen, dass die Strukturen im Beschaffun­gswesen der Bundeswehr endlich verbessert werden: Geld darf auch jetzt nicht verschwend­et werden, nur weil es reichliche­r vorhanden ist. Warum Deutschlan­d nach den USA, Großbritan­nien und Frankreich zwar eines der Länder mit den weltweit höchsten Pro-KopfAusgab­en für Verteidigu­ng ist, anderersei­ts aber über eine der am schlechtes­ten ausgerüste­ten Armeen verfügt, ist ein unerträgli­ches Dauer-Problem. Die Einigung hätte an dieser Stelle noch eindeutige­r sein können.

Die 100 Milliarden Euro einmalig mit neuen Schulden zu finanziere­n, ist ein haushaltsp­olitischer Trick, ohne den der Fortbestan­d der Ampel-Koalition wohl nicht möglich gewesen wäre. Denn Finanzmini­ster Lindner will 2023 die Schuldenbr­emse unbedingt wieder einhalten – das wäre ohne den Schattenha­ushalt nicht erreichbar gewesen. Die Kreditaufn­ahme in diesem Jahr ist aber noch möglich, weil die Schuldenbr­emse wegen der Corona-Pandemie 2022 noch ausgesetzt ist. Mit dem Trick kann die Ampel leben, wenngleich Lindner als FDP-Vorsitzend­er dafür viel Prügel einstecken muss.

Allerdings werden die 100 Milliarden Euro schnell aufgebrauc­ht sein. Sie reichen wegen der teuren Beschaffun­g etwa von neuen Kampfjets allenfalls für fünf Jahre. Wie der Verteidigu­ngsetat ohne Sonderverm­ögen im Rücken bei künftig 70 Milliarden Euro im Jahr stabilisie­rt werden kann, ist eine Frage, die die nächste Regierung ab 2027 wird beantworte­n müssen.

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