Nordwest-Zeitung

Kurze Auszeit vom Krieg in der Heimat

Deutsch-Polnisches Jugendwerk holt Kinder und Jugendlich­e aus der Ukraine nach Oldenburg

- Von Markus Minten

Oldenburg – Jegor kann wieder befreit lachen: Seit ein paar Tagen ist der Zwölfjähri­ge in Oldenburg. Urlaub machen, abschalten, Spaß haben. Gemeinsam mit fast 40 anderen Kindern und Jugendlich­en sowie einigen Betreuern ist er zu Gast bei der Jugendkult­urarbeit in Neu-Donnerschw­ee. In einer Mischung aus Ukrainisch und gebrochene­m Englisch berichtet Jegor, wie er sich gemeinsam mit seinen Eltern zu Hause in Kiew im Badezimmer versteckt hat, wenn in der Ferne Einschläge des Raketenbes­chusses zu hören waren. Auch wenn er die schlimmste­n Grauen des Krieges nicht miterleben musste, kennt er kaputte Häuser und auch Betroffene. „Man muss immer vorsichtig sein, immer mit der Gefahr rechnen. Hier ist es viel ruhiger. Hier kann ich mich entspannen.“

Buntes Programm

So geht es auch Slata (13) und Nastja (15). Auch sie genießen das Programm aus Ausflügen in die Stadt und Umgebung, Kreativang­eboten und theaterpäd­agogischen Ansätzen. Vier Gruppenang­ebote gibt es jeden Tag – und darüber hinaus genügend Freizeit, damit sich Freundscha­ften bilden können, die vielleicht über den Aufenthalt andauern. Unterstütz­t wird das Team von ukrainisch­en Flüchtling­en, die seit Ausbruch des Krieges Unterkunft in Neu-Donnerschw­ee gefunden haben.

Auch eine psychologi­sche Betreuung gehört dazu – übernommen von einer Ukrainerin, die bereits vor einigen Wochen geflohen und nach Oldenburg gekommen ist. Derartige Hilfe könnte sich Dettmar Koch, Leiter des Internatio­nales Jugendproj­ektehaus „Weiße Rose 1“, und seine Kollegin Agnieszka AdamczakWa­schow auch von anderen Ukrainerin­nen und Ukrainern vorstellen, die in Oldenburg Unterkunft gefunden haben:

Knapp 40 Kinder und Jugendlich­e aus der Ukraine sind derzeit bei der Jugendkult­urarbeit zu Gast – und haben sichtlich Spaß.

Künstler oder Pädagogen, Sportler oder Handwerker. Wer den Aufenthalt der Kinder und Jugendlich­en unterstütz­en will – auch durch Aufbesseru­ng der Ausstattun­g oder vergünstig­ten Eintritt in Einrichtun­gen der Region – kann sich melden unter Tel. 39010550 oder per Mail an info@jugendkult­urarbeit.eu. Während Grundverso­rgung samt psychologi­scher Betreuung gesichert sind, kommen die Organisato­ren bei Eintrittsg­eldern oder Anschaffun­gen von Spielgerät­en schnell an ihre Grenzen. Mehrere andere

Gruppen sollen bis Sommer folgen, untergebra­cht teilweise in Oldenburg, aber auch in Einrichtun­gen in der Region. Insgesamt sollen so 200 Kinder und Jugendlich­e hier eine Auszeit vom Krieg haben.

Probleme gemeistert

Möglich machen die Besuche direkte Kontakte in die Ukraine und die Zusammenar­beit mit dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk, gefördert werden sie vom Auswärtige­n Amt. Die meisten der Kinder und Jugendlich­en sind Binnenflüc­htlinge.

In der nächsten Gruppe sollen auch Mädchen und Jungen aus Mariupol sein, der Stadt die wie keine andere als Symbol des Putin-Krieges gegen die Ukraine geworden ist. Dass die Umsetzung nicht ganz ohne ist, wird auch daran deutlich, dass die beiden ukrainisch­en Kooperatio­nspartner doch nicht wie geplant das Land verlassen und die Gruppe begleiten durften. Andere Kinder und Jugendlich­e konnten nicht mitkommen, weil ihre Papiere nicht rechtzeiti­g fertig waren.

Den Kontakt in die Heimat

lassen auch Slata und Nastja nicht abreißen: Über Telefon und Computer versuchen sie regelmäßig mit ihren Eltern zu sprechen, zudem nehmen viele digital am Schulunter­richt in ihrer Heimat teil. Am Donnerstag wird die erste Gruppe Oldenburg verlassen. Bis dahin wird Jegor mit seinen Freunden wohl auch nochmal den benachbart­en Fußballpla­tz an der Schliefens­traße nutzen – für den Fan von Dynamo Kiew und Schachtar Donezk „ein Fußballfel­d wie bei der Europameis­terschaft“.

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BILD: Markus Minten

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