Vom Reisen und vom Aufgehaltenwerden
Konzert mit streitbarem Werk des Bremer Komponisten Uwe Rasch
Oldenburg – Das Buh. Na ja. Die einstige Missfallens-Bekundung, lange im Ruf eines immateriellen Kulturerbes stehend, hat ihren Biss verloren. Wer verärgert den Raum verlässt, erledigt das heute in aller Stille und dankt dezent den Leuten in der Sitzreihe fürs Platzmachen.
Faszinierendes Werk
So hält man es in Oldenburg, in diesem Fall in der Exerzierhalle. Galt das Buh für zeitgenössische Komponisten einst als Ritterschlag, so ist seine Verweigerung inzwischen fast schon zur Gemeinheit mutiert.
Der Bremer Komponist Uwe Rasch (64) hat eine solche in seinem umfangreichen Projekt nicht verdient. Seine Installation „aus vierundzwanzig“in der klangpol-Reihe NOIeS erweist sich in vielen Teilen als ein faszinierendes Werk aus Musik, tänzerischer, abrupter und anderer körperlicher Bewegung, statischen und ruckelnden Grafiken auf Bildschirmen und Leinwand. „Schubertadaptionen“nennt er seine Linie.
Der Solidarität mit „marginalisierten Gruppen“, also jenen vom Rande der Gesellschaft, soll die Zusammenstellung gelten. Muss das an Schuberts „Winterreise“mit ihren 24 schaurigen Liedern eines der Welt Fremdgewordenen gemahnen? Das kann man so sehen, das kann man auch lassen. Die starke Dosis bei Schubert und Rasch kaschiert sowieso Risiken und Nebenwirkungen nicht.
Erst einmal klingt es bei Hämmern, Schrappen, Schieben oder Klopfen nach Umzug und Renovierung. Es könnte ein Fuhrwerk aufbrechen.
Die Fahrt wird wilder, mit knatternden Fehlzündungen. Die Bühne und ihre Bilder und Grafiken geraten in Bewegung. Am Boden wälzt, schüttelt und schlägt eine Art Riesenschmetterling seine Flügel. Doch das Insekt windet sich auf der Stelle, flattert hilflos, erstarrt immer wieder. Klebt es an einer Leimrute fest? Es gibt Vieles, was mit Reisen und Aufgehaltenwerden verbunden werden könnte.
Die Blicke fallen meistens von oben auf die Objekte. Etwa: Wie beim bekannten Drudel vom Mexikaner auf dem
Fahrrad stehen sich zwei Figuren mit breitkrempigen Hüten gegenüber – und klopfen sich gegenseitig auf die Schultern.
Detonierende Toncluster
Nicht alle verfolgen alles bis zum Ende. Akustisch setzt die Inszenierung Hörerinnen und Hörern zu. Da detonieren Toncluster über einem zaghaft fiependen Saxofon. Die Klangund Geräusch-Kombinationen sind wirklich eine Wucht, im mitreißenden wie im zerstörerischen Sinn. Auch TonHochebenen führen zu als unangenehm wahrgenommen Frequenzen. Da entfaltet die belebende Droge ihre Nebenwirkungen und trägt einiges aus der Kurve. Langweilig wird es in der Exerzierhalle jedenfalls nie.