Inoffizielles Motto: Endlich wieder krachen lassen!
Ostfriesisches Festival mit Weltklasse geht ins zehnte Jahr – Offizielles Motto: Horizonte
Aurich – Jederzeit könnte Matthias Kirschnereit Mozart, Beethoven, Bach, Brahms oder sogar Enjott Schneider propagieren. Doch das hieße, schwarzen Tee nach Ostfriesland tragen. Unter allen Edelsteinen, die der künstlerische Leiter der Gezeitenkonzerte zum Jubiläum eingesammelt hat, greift er eine Perle für sich persönlich heraus: „Das vierte Klavierkonzert von Nikolai Kapustin!“Dazu fügt er ein „Ha!“an.
Ein Geheimtipp
Kapustin (1937 – 2020), vom Jazz angeregt, ist ein fast provokanter Geheimtipp, am 1.
Matthias Kirschnereit ist der Leiter der Gezeitenkonzerte.
August in Leer, mit Pianist Frank Dupree und dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn. Für Kirschnereit unterstreicht dieser Auftritt „nach zwei Jahren der künstlerischen Vertrocknung“sein inoffizielles Motto für die zehnte Spielzeit des Festivals: „Endlich können wir es wieder krachen lassen!“
Alt- und Jungmeister
Offiziell firmieren die Gezeitenkonzerte vom 4. Juni bis zum 7. August gemäßigter unter dem Thema „Horizonte“. Dabei schweift der Blick auch zurück. „Wir haben Künstler der ersten Stunde verpflichtet und solche, die häufig bei uns waren“, erzählt Kirschnereit. Da spannt sich der Bogen von den Geigern Christian Tetzlaff und Daniel Hope über Blockflötist Maurice Steger und Cellist Daniel Müller-Schott bis zu Trompeterin Tine Thing Helseth.
Noch einmal steigt der Anteil der Orchesterkonzerte, zudem wird Open air in Wiesmoor und Bad Zwischenahn gespielt. Trotzdem „bleibt die klassische Kammermusik das Herzstück“. Und Pianist Kirschnereit lockt immer große Pianisten, diesmal etwa Altmeister Rudolf Buchbinder oder Jungmeister Alexander Krichel. Das schlägt sogar den Bogen zu Musik, die oberflächlich als Crossover bezeichnet wird. So spielt Krichel am 6. Juli in Wittmund die originale Klavierfassung der „Bilder einer Ausstellung“von Mussorgski. Am „KapustinAbend“in Leer folgt eine Version für Jazztrio und Orchester.
„Wir sprechen viele Gesellschaftsgruppen an“, hat der
Leiter seit 2012 erfahren. „Wir sind wie eine Bürgerbewegung, in Nachbarschaft mit der Weltklasse, in den Preisen verträglich, herzlich offen und nicht versnobt.“Der Freundeskreis steuert auf die Marke von 800 Mitgliedern zu.
Was Musik heute zu sagen hat, wird im Schlusskonzert am 7. August spürbar, traditionell auf dem Polderhof in Bunderhee. Auf das erste Cellokonzert des Russen Dmitri Schostakowitsch folgt das herzbewegende Adagio aus der zehnten Sinfonie von Gustav Mahler – und dann noch der Bolero von Maurice Ravel. Zum Innehalten – und Krachen-Lassen, trotzdem.
Infos unter www.gezeitenkonzerte.ostfriesischelandschaft.de