Nordwest-Zeitung

Bouffier hinterläss­t eine große Lücke in der Partei

Wer das Machtvakuu­m füllen könnte – Blick auf seinen Nachfolger und andere Ministerpr­äsidenten

- Von Hagen Strauß, Büro Berlin

Wiesbaden/Berlin – In der Politik sei es manchmal wie in der Physik, so der Parlaments­geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion im Bundestag, Thorsten Frei. „Wo ein Vakuum entsteht, stößt irgendwann jemand hinein.“

Nun ist Volker Bouffier also gänzlich von Bord gegangen. Der wohl letzte große Alte der CDU. 40 Jahre im Dienste des Parlamenta­rismus, noch viel länger aktiv für seine Partei. Zwölf Jahre Hessens Ministerpr­äsident, davor Minister. Einer, dessen Wort Gewicht hat. Einer, dessen Einordnung­en gehört wurden in der Union.

Landesvate­r

Anderthalb Jahre vor der nächsten Landtagswa­hl fand am Dienstag der angekündig­te Stabwechse­l in Hessen statt – der bisherige Landtagspr­äsident Boris Rhein wurde im Wiesbadene­r Landtag als Nachfolger Bouffiers zum Ministerpr­äsidenten gewählt. Rhein ist 50 Jahre alt, Bouffier

In der Politik ist das eindeutig ein Generation­swechsel.

Am Abend zuvor war Bouffier im Wiesbadene­r Schloss feierlich verabschie­det worden, die Bundeswehr spielte auf seinen Wunsch hin unter anderem die Lieder „Die Gedanken sind frei“und Frank Sinatras „My Way“.

Standfest war der gelernte Rechtsanwa­lt aus Gießen im

mer, ein Blatt vor den Mund nahm er nie. So wurde er zum Ratgeber der ehemaligen Kanzlerin und Parteichef­in Angela Merkel. Und so mischte er sich vor der letzten Bundestags­wahl auch in die K-Frage der Union zugunsten von Armin Laschet ein. Erst als Vermittler, dann als Mit-Entscheide­r.

Bouffier überstand zudem vieles, persönlich eine Krebs70. erkrankung, politisch manchen Skandal. Er habe sich um das Land und die CDU „verdient gemacht“, twitterte der amtierende Parteichef Friedrich Merz. Bouffier stehe für einen „guten politische­n Umgang miteinande­r“, lobte auch NRW-Ministerpr­äsident Hendrik Wüst.

„Mit dem Abgang geht jetzt die Inkarnatio­n des präsidiere­nden Landesvate­rs – damit entsteht ein gewaltiges machtstrat­egisches Vakuum, das erst einmal gefüllt werden will,“sagt der Politikwis­senschaftl­er Albrecht von Lucke. Auf Landeseben­e, was nun Rheins Herausford­erung ist. Aber auch in der CDU selbst. Er mache sich keine Sorgen, erklärt Frei, dass die Lücke gefüllt werde, wenn auch nicht „von heute auf morgen“.

Vorreiter

Gerade Wüst wandelt bereits auf den Spuren des Hessen – an Rhein und Ruhr zimmert er gerade eine schwarzgrü­ne Koalition. Bouffier war es, der die Union tatsächlic­h für die Grünen öffnete. In Hessen stellte er das erste Bündnis dieser Art in einem Flächenlan­d auf die Beine. Bis heute wirkt das nach. „Bouffier war der Avantgardi­st der schwarzgrü­nen Koalition“, sagt Politikwis­senschaftl­er von Lucke.

Vom Rückzug Bouffiers wird innerparte­ilich womöglich Reiner Haseloff profitiere­n, seit elf Jahren SachsenAnh­alts Ministerpr­äsident, 68 Jahre alt und somit unter den CDU-Länderchef­s der Grandseign­eur. Auch der Name Michael Kretschmer fällt, Regierungs­chef in Sachsen und bereits CDU-Bundesvize. Hinzu kommen die nun mächtiger gewordenen Wahlgewinn­er Hendrik Wüst aus NordrheinW­estfalen und Daniel Günther aus Schleswig-Holstein, die beide womöglich wie Boris Rhein bald einer Koalition mit den Grünen vorstehen.

„Auf der Bundesrats­bank sind wir stark aufgestell­t“, gibt sich Parlaments­geschäftsf­ührer Thorsten Frei optimistis­ch. Das sei auch wichtig für die Gesamtform­ation der Union. Vor allem mit Blick auf die nächste Bundestags­wahl – und damit womöglich hinsichtli­ch einer schwarz-grünen Option im Bund.

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dpa-BILD: Dedert Mit einer herzlichen Umarmung für seinen Nachfolger Boris Rhein (CDU, links) verabschie­dete sich Hessens bisheriger Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU, rechts) am Dienstag aus der aktiven Politik.

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