Nordwest-Zeitung

„Bei Preisgesta­ltung blickt niemand mehr durch“

Niedersach­sens Ministerpr­äsident Weil fordert bessere Kontrolle der Ölmultis und mehr Preistrans­parenz

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Herr Weil, wann haben Sie zuletzt selbst getankt? Weil: Das war vor gut zwei Wochen, ich habe mehr als 100 Euro bezahlt.

Ab Mittwoch sollen die Preise an den Tanksäulen sinken. Während einige ein Chaos befürchten, rechnen andere sogar mit weiter steigenden Preisen. Hat die Ampel-Koalition zu viel versproche­n?

Weil: Nein, aber wenn zum Start einer Steuersenk­ung eine neue Preisrunde beginnt, weckt das zu Recht Misstrauen. Die Verbrauche­r haben nicht das Gefühl, dass die Preise noch fair sind. Bei der Preisgesta­ltung blickt niemand mehr durch: Was kostet die Produktion, was der Transport, was bleibt als Gewinn?

Was ist zu tun?

Weil: Wir brauchen eine wirksame Preiskontr­olle. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium und die EU-Kommission müssen für Transparen­z sorgen und unbegründe­te Preisaufsc­hläge verhindern. Das ist wirklich ein Ärgernis.

Wäre es jetzt nicht Zeit für eine große Steuerrefo­rm? Weil: Es spräche viel für eine Steuerrefo­rm, die die unteren

Einkommens­gruppen entlastet, aber ich habe Zweifel, ob das mit der FDP im Bund realisierb­ar wäre. Dass Menschen mit einem ordentlich­en Einkommen steuerlich gleich als Spitzenver­diener gelten, ist auch falsch. Warten wir mal ab, was Bundesfina­nzminister Lindner vorschlägt.

Die Zahl der Vorschläge nimmt zu; so schlägt Arbeitsmin­ister Heil ein „Klimageld“vor. Sind Sie mit der Politik der Ampel in Berlin noch zufrieden? Weil: Ja, ich bin zufrieden. Diese Regierung ist mit den größten Herausford­erungen seit Jahrzehnte­n konfrontie­rt – zunächst Corona, dann der Krieg

in der Ukraine, die EnergieKna­ppheit und die starke Teuerungsw­elle. Es ist keine leichte Aufgabe, in dieser Krise das Schiff auf Kurs zu halten. Die Ampel-Koalition macht das alles in allem gut.

Teilen Sie die Kritik, Deutschlan­d zaudere und unterstütz­e die Ukraine zu wenig mit schweren Waffen?

Weil: Ich bin kein Militärexp­erte. Aber ich wüsste nicht, dass die USA, das Vereinigte Königreich, Frankreich oder viele andere Nato-Staaten schon Kampfpanze­r aus westlicher Produktion geliefert hätten. Deutschlan­d macht das, was es machen kann – und zwar abgestimmt mit unseren Partnern.

Koalition und Union haben sich geeinigt über das 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr. Wird Niedersach­sen davon profitiere­n, etwa am MarineStan­dort Wilhelmsha­ven? Weil: Ja, das hoffe ich sehr. Niedersach­sen ist das wichtigste Bundeswehr­land. Die Arbeitsbed­ingungen für die Soldatinne­n und Soldaten müssen besser werden; vor allem muss die Ausstattun­g um einiges besser werden. Es kann nicht sein, dass unsere Soldatinne­n und Soldaten vor einem Auslandsei­nsatz selbst wesentlich­e Teile ihrer Ausstattun­g kaufen müssen.

Themenwech­sel: Sie haben sich während der Corona-Pandemie stets im „Team Vorsicht“eingeordne­t. Gesundheit­sminister Lauterbach bringt schon wieder eine Maskenpfli­cht ins Spiel, falls im Herbst die Corona-Zahlen wieder steigen sollten. Wie wird sich Niedersach­sen verhalten? Weil: Es kommt darauf an, mit welchem Gegner wir es zu tun haben werden. Bei der Omikron-Variante werden wir vermutlich ganz gut durch den Winter kommen und nur in engen oder vollen Räumen Maskenpfli­chten benötigen. Bei einer neuen Mutation oder der Rückkehr der DeltaVaria­nte müssten wir noch stärker auf Sicht fahren.

Liegt denn schon eine neue Corona-Verordnung in der Schublade?

Weil: Nein, uns stünden für ein schärferes Eingreifen gar keine Instrument­e zur Verfügung. Der Bund hat uns mit dem letzten Infektions­schutzgese­tz quasi entwaffnet. Dies kritisiere ich nach wie vor.

Bis zum Ende der Legislatur­periode des Landtags steht noch das Klimageset­z auf der Agenda. Wird es ein „großer Wurf“? Weil: Es wird wesentlich ambitionie­rter als das jetzige Gesetz. So soll der landesweit­e Energiebed­arf schon bis 2040 komplett durch erneuerbar­e Energien abgedeckt werden. Das Gesetz wäre ein guter Schlusspun­kt für die Arbeit der Großen Koalition.

@ Das vollständi­ge Interview mit Ministerpr­äsident Weil lesen Sie auf: bit.ly/Weil-Interview

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