„Bei Preisgestaltung blickt niemand mehr durch“
Niedersachsens Ministerpräsident Weil fordert bessere Kontrolle der Ölmultis und mehr Preistransparenz
Herr Weil, wann haben Sie zuletzt selbst getankt? Weil: Das war vor gut zwei Wochen, ich habe mehr als 100 Euro bezahlt.
Ab Mittwoch sollen die Preise an den Tanksäulen sinken. Während einige ein Chaos befürchten, rechnen andere sogar mit weiter steigenden Preisen. Hat die Ampel-Koalition zu viel versprochen?
Weil: Nein, aber wenn zum Start einer Steuersenkung eine neue Preisrunde beginnt, weckt das zu Recht Misstrauen. Die Verbraucher haben nicht das Gefühl, dass die Preise noch fair sind. Bei der Preisgestaltung blickt niemand mehr durch: Was kostet die Produktion, was der Transport, was bleibt als Gewinn?
Was ist zu tun?
Weil: Wir brauchen eine wirksame Preiskontrolle. Das Bundeswirtschaftsministerium und die EU-Kommission müssen für Transparenz sorgen und unbegründete Preisaufschläge verhindern. Das ist wirklich ein Ärgernis.
Wäre es jetzt nicht Zeit für eine große Steuerreform? Weil: Es spräche viel für eine Steuerreform, die die unteren
Einkommensgruppen entlastet, aber ich habe Zweifel, ob das mit der FDP im Bund realisierbar wäre. Dass Menschen mit einem ordentlichen Einkommen steuerlich gleich als Spitzenverdiener gelten, ist auch falsch. Warten wir mal ab, was Bundesfinanzminister Lindner vorschlägt.
Die Zahl der Vorschläge nimmt zu; so schlägt Arbeitsminister Heil ein „Klimageld“vor. Sind Sie mit der Politik der Ampel in Berlin noch zufrieden? Weil: Ja, ich bin zufrieden. Diese Regierung ist mit den größten Herausforderungen seit Jahrzehnten konfrontiert – zunächst Corona, dann der Krieg
in der Ukraine, die EnergieKnappheit und die starke Teuerungswelle. Es ist keine leichte Aufgabe, in dieser Krise das Schiff auf Kurs zu halten. Die Ampel-Koalition macht das alles in allem gut.
Teilen Sie die Kritik, Deutschland zaudere und unterstütze die Ukraine zu wenig mit schweren Waffen?
Weil: Ich bin kein Militärexperte. Aber ich wüsste nicht, dass die USA, das Vereinigte Königreich, Frankreich oder viele andere Nato-Staaten schon Kampfpanzer aus westlicher Produktion geliefert hätten. Deutschland macht das, was es machen kann – und zwar abgestimmt mit unseren Partnern.
Koalition und Union haben sich geeinigt über das 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr. Wird Niedersachsen davon profitieren, etwa am MarineStandort Wilhelmshaven? Weil: Ja, das hoffe ich sehr. Niedersachsen ist das wichtigste Bundeswehrland. Die Arbeitsbedingungen für die Soldatinnen und Soldaten müssen besser werden; vor allem muss die Ausstattung um einiges besser werden. Es kann nicht sein, dass unsere Soldatinnen und Soldaten vor einem Auslandseinsatz selbst wesentliche Teile ihrer Ausstattung kaufen müssen.
Themenwechsel: Sie haben sich während der Corona-Pandemie stets im „Team Vorsicht“eingeordnet. Gesundheitsminister Lauterbach bringt schon wieder eine Maskenpflicht ins Spiel, falls im Herbst die Corona-Zahlen wieder steigen sollten. Wie wird sich Niedersachsen verhalten? Weil: Es kommt darauf an, mit welchem Gegner wir es zu tun haben werden. Bei der Omikron-Variante werden wir vermutlich ganz gut durch den Winter kommen und nur in engen oder vollen Räumen Maskenpflichten benötigen. Bei einer neuen Mutation oder der Rückkehr der DeltaVariante müssten wir noch stärker auf Sicht fahren.
Liegt denn schon eine neue Corona-Verordnung in der Schublade?
Weil: Nein, uns stünden für ein schärferes Eingreifen gar keine Instrumente zur Verfügung. Der Bund hat uns mit dem letzten Infektionsschutzgesetz quasi entwaffnet. Dies kritisiere ich nach wie vor.
Bis zum Ende der Legislaturperiode des Landtags steht noch das Klimagesetz auf der Agenda. Wird es ein „großer Wurf“? Weil: Es wird wesentlich ambitionierter als das jetzige Gesetz. So soll der landesweite Energiebedarf schon bis 2040 komplett durch erneuerbare Energien abgedeckt werden. Das Gesetz wäre ein guter Schlusspunkt für die Arbeit der Großen Koalition.
@ Das vollständige Interview mit Ministerpräsident Weil lesen Sie auf: bit.ly/Weil-Interview