Nordwest-Zeitung

Mutmacher in schweren Zeiten

Frühzeitig­e Unterstütz­ung – Von Erfahrunge­n profitiere­n

- Von Melanie Jülisch

Im Interview erklärt Meike Dittmar von der Beratungsu­nd Koordinati­onsstelle Oldenburg (BeKoS e.V.) die Bedeutung von Selbsthilf­egruppen – auch kurz nach dem Erhalt einer schlimmen Diagnose. Egal ob Krebs, MS oder Diabetes – wer eine solche Diagnose erhält, steht zunächst vermutlich unter Schock.

Kann der Weg in eine Selbsthilf­egruppe bereits in dieser Phase einen Halt geben

Gerade wenn eine solche Diagnose völlig unerwartet kommt, fühlt man sich meist sehr hilflos. Wie soll ich künftig meinen Lebensallt­ag gestalten? Vielleicht fühle ich mich auch allein mit meinen Ängsten und Sorgen. Da können die Erfahrunge­n der Teilnehmer einer Selbsthilf­egruppe sehr hilfreich sein. Sie können davon berichten, welche Wege sie gefunden haben, um ihre Erkrankung zu akzeptiere­n und damit umzugehen. Das schafft Mut und gibt ein Gefühl von Sicherheit.

Das Team der Bekos (von links): Ele Herschelma­nn, Meike Dittmar, Nele Holz und Nicole Brallentin.

Woran liegt es dennoch, dass so wenige den Weg dorthin finden

Auch wenn die Selbsthilf­e inzwischen eine wichtige Säule des Gesundheit­swesens ist, wissen immer noch viele nicht davon. Glückliche­rweise wird auch in Kliniken, Arztpraxen oder Beratungse­inrichtung­en inzwischen verstärkt auf diese Möglichkei­t hingewiese­n. Oft gibt es auch erste Hemmschwel­len. Hier kann die BeKoS beraten, und gemeinsam wird überlegt, ob Selbsthilf­e aktuell ein Weg sein könnte.

Wie sieht das erste Mal in einer Selbsthilf­egruppe aus, darf man auch einfach nur dabei sein und zuhören

Ja, das ist anfangs möglich. Oft findet vorher aber auch ein erster Austausch mit einer Kontaktper­son aus der Gruppe statt, so dass eventuelle Unsicherhe­iten meist schon etwas weniger werden. In Oldenburg gibt es übrigens rund 200 Selbsthilf­egruppen, die ganz unterschie­dlich organisier­t sind. Es gibt komplett unabhängig­e Selbsthilf­egruppen, aber auch Ortsgruppe­n von Landesoder Bundesorga­nisationen.

Was bringt die Teilnahme an einer Selbsthilf­egruppe

Man fühlt sich in erster Linie nicht mehr so allein. Indem man den Erfahrunge­n anderer Betroffene­r zuhört, kann man Mut schöpfen und sich gezielter mit seinen Problemen auseinande­rsetzen. Außerdem übernehme ich dadurch, dass ich aktiv werde, auch Verantwort­ung für meine Gesundheit. Das kann dazu führen, dass ich mich der aktuellen Lage nicht mehr ganz so ausgeliefe­rt fühle. Manchmal lässt sich recht schnell erkennen, was man im Umgang mit der Krankheit alles selbst bewirken kann. So entwickeln sich im Austausch mit den anderen in der Gruppe damit oft auch Zuversicht und Kompetenze­n, die Betroffene­n Sicherheit in Gesprächen mit Ärzten und anderem Fachperson­al geben. Auch gibt es

manchmal ganz praktische Unterstütz­ung, beispielsw­eise beim Stellen von Anträgen. Aber auch die Angehörige­n können von dem Austausch profitiere­n. Oft gibt es auch spezielle Gruppen nur für sie, was für die ganze Familie eine wertvolle Hilfe sein kann, da das Verständni­s für die jeweilige Erkrankung oft größer wird.

Kann es auch eine Übergangsl­ösung sein, wenn man auf einen Therapiepl­atz wartet

Eine Selbsthilf­egruppe kann keine Therapie ersetzen, dies gilt insbesonde­re im psychosozi­alen Bereich, beispielsw­eise bei Depression­en. Eine Teilnahme in einer Selbsthilf­egruppe läuft hier oft begleitend zur Therapie. Hingegen kann bei einer Krebsdiagn­ose oder chronische­n Erkrankung­en wie Diabetes die frühzeitig­e Teilnahme an den Treffen eine gute Hilfe sein.

Coronabedi­ngt wurde vieles in den Online- oder Telefonieb­ereich verlagert. Wie ist das bei Ihnen

Tatsächlic­h haben die Gruppen und auch die BeKoS einiges dazu gelernt und davon beibehalte­n. Gerade bei Vorträgen und wenn die Teilnehmer weit verstreut wohnen oder in ihrer Mobilität eingeschrä­nkt sind, ist ein Treffen per Video eine sehr gute Möglichkei­t. Aber natürlich wird ein persönlich­er Austausch favorisier­t, der dann manchmal auch durch die Zuschaltun­g per Video ergänzt wird.

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BILD: bekos

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