Es kommt auf jede Minute an
Schlaganfallpatienten dürfen keine Zeit verlieren
Alle drei Minuten ist ein Mensch in Deutschland von einem Schlaganfall (Apoplex) betroffen. Grobe Schätzungen gehen davon aus, dass es hierzulande pro Jahr rund 270 000 Fälle sind. Auch am Evangelischen Krankenhaus (EV) gehört die Akutversorgung von Schlaganfällen zu den wichtigsten Behandlungsfeldern. „Hier sind es im Mittel rund 1500 Fälle pro Jahr“, berichtet Privatdozent Dr. Thomas Liman, Oberarzt an der Universitätsklinik für Neurologie am Evangelischen Krankenhaus.
Zellen sterben ab
Der Schlaganfall ist eine plötzlich auftretende Störung der Durchblutung im Gehirn. Es kann zu einer Blutung oder zu einer Verstopfung von wichtigen gehirnversorgenden Arterien durch Blutgerinnsel (Thrombus) kommen. Als Folge sterben die dahinter liegenden Nervenzellen aufgrund des Mangels an Sauerstoff ab. Die Folge können dauerhafte Schädigungen sein. So können Patienten für den Rest ihres Lebens unter Lähmungen leiden oder mit Sprach- und Sprechstörungen zu kämpfen haben.
Die wichtigsten Warnsignale
„Es gibt fünf Warnsignale für einen Schlaganfall“, erklärt Thomas Liman. „Dies können Sprach- und Sprechstörungen sein, eine plötzlich eintretende halbseitige Lähmung oder Gefühlstörung, eine plötzlich halbseitig eintretende Blindheit, ein plötzlich auftretender Schwindel mit Gangstörung oder ein plötzlicher, sehr starker Kopfschmerz.“
Schnelles Handeln ist erforderlich
Patienten, die diese Symptome an sich bemerken, oder auch deren Angehörige sollten schnell handeln, die Notrufist,
Privatdozent Dr. Thomas Liman ist Oberarzt am Evangelischen Krankenhaus und beschäftigt sich klinisch und wissenschaftlich mit der Volkskrankheit Schlaganfall.
nummer 112 wählen und einen Rettungswagen anfordern. „Je zügiger der Schlaganfall diagnostiziert wird, desto mehr Behandlungsoptionen haben wir und desto geringer ist das Risiko, gravierende Folgen davonzutragen“macht Liman deutlich. Nach einer kurzen Anamnese und Untersuchung schließt sich eine sofortige Bildgebung des Gehirns an. „Mit einem CT können wir Blutungen, mit einer CT-Angiographie können wir Gefäßverschlüsse durch Blutgerinnsel feststellen.“Ist der Schlaganfall weniger als viereinhalb Stunden her, kann – nach Ausschluss von Kontraindikationen – eine systemische Thrombolyse erfolgen. Hier wird ein Mittel über die Vene verabreicht, das sehr gute Erfolge beim Auflösen von zum Schlaganfall führenden Blutgerinnseln gezeigt hat. Eine weitere Methode ist die mechanische Thrombektomie, bei der es sich um ein invasives Verfahren handelt, bei dem ein Katheter durch die Leiste bis in die verstopfte Hirnarterie geführt wird, um dort das Blutgerinnsel (Thrombus) zu entfernen. Die erst seit wenigen Jahren zugelassene Therapie hat zu einer massiven Verbesserung in der Schlaganfallbehandlung geführt und seit Erscheinen der „großen“Studien in 2015 die Schlaganfalltherapie „revolutioniert.“
Dieses Verfahren kann bis zu 24 Stunden nach Auftreten der
Symptome zum Einsatz kommen. Hier wird durch einen erfahrenen Neuroradiologen am narkotisierten Patienten mittels eines sehr dünnen Katheters das Blutgerinnsel meist mit Hilfe eines Drahtgeflechtes oder einer Absaugung aus dem Gefäß entfernt.
„Etwa bei jedem zehnten Schlaganfall kommt die Thrombektomie im Evangelischen Krankenhaus zum Einsatz und wird von unseren hervorragenden interventionellen Neuroradiologen durchgeführt. In diesem Bereich sind wir sehr, sehr gut aufgestellt, vergleichbar mit anderen, größeren Universitätskliniken. Das ist schon sehr bemerkenswert“, hebt Thomas Liman den Stellenwert hervor.
Mit Rehamaßnahmen zurück ins Leben finden
Im Anschluss an die Akutversorgung stehen für die Schlaganfallpatienten Rehabilitationsmaßnahmen an, die sich oft über mehrere Monate erstrecken. So müssen viele Patienten wieder das Sprechen erlernen oder Bewegungsabläufe sich mithilfe einer umfassenden Physiotherapie wieder aneignen. Sehr häufig ist auch eine psychologische Betreuung vonnöten, in der die Patienten lernen müssen, mit der neuen Lebenssituation zurechtzukommen. „Fakt ist aber, dass trotz abgestorbener Gehirnzellen, einiges wieder erlernbar
Wer sein Schlaganfallrisiko minimieren möchte, sollte möglichst nicht rauchen, Alkohol nur in Maßen genießen sowie auf eine gesunde Ernährung achten und sich ausreichend bewegen. Zudem sollte auf Bluthochdruck geachtet und auch der Cholesterinspiegel und Herzrhythmusstörungen sollten im Blick behalten werden.
Breites Behandlungsspektrum für neurologische Erkrankungen
Die Universitätsklinik für Neurologie am Evangelischen Krankenhaus in Oldenburg deckt ein breites Spektrum an Behandlungen ab. So stehen dort neben der Versorgung der Schlaganfälle sämtliche neurologischen Erkrankungen des Nervensystems und der Muskulatur im Fokus. Weitere Schwerpunkte sind daher Erkrankungen der hirnversorgenden Blutgefäße, entzündliche Hirnerkrankungen des Nervensystems wie die Multiple Sklerose, die neurologische Intensivmedizin, aber auch Bewegungsstörungen wie etwa der Morbus Parkinson. Parkinson-Patienten etwa können mit der sogenannten Tiefenhirnstimulation (THS) behandelt werden, ein Verfahren, welches sehr effektiv ist und Betroffenen zu erheblich mehr Lebensqualität verhilft. Die Universitätsklinik für Neurologie ist ein wichtiger Teil der Fakultät für Medizin und Gesundheitswissenschaften der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und der European Medical School Oldenburg/ Groningen.