„Wenn Antibiotika den Darm krank machen“
Über den Umgang mit dem Bakterium Clostridioides difficile
Dr. Jörg Herrmann ist Leiter des Instituts für Krankenhaushygiene Oldenburg. Er begleitet und berät alle Oldenburger Krankenhäuser sowie das Reha-Zentrum Oldenburg in sämtlichen Fragen rund um wichtige Hygienemaßnahmen. Im Interview erklärt er, welche Folgen die Vergabe von Antibiotika für den Darm haben kann.
Die Erfindung des Penicillins im Jahre 1928 war ein Segen. Es war das erste Antibiotikum, also Medikamente, die Bakterien abtöten und Millionen von Menschen das Leben gerettet haben.
Heute weiß man, dass es auch Schattenseiten gibt. Wieso
Dr. Jörg Herrmann: Da ist beispielsweise das Bakterium Clostridioides difficile, das erst so richtig in Form kommt, wenn Patienten mit Antibiotika behandelt werden. Es kann sehr lange in der Umwelt überleben, da es Sporen bildet, die, wenn sie zurück in den Körper von Mensch oder Tier gelangen, sich wieder in Bakterien umwandeln und millionenfach vermehren.
Was können die Folgen für die Darmgesundheit sein
C. difficile produziert in großen Mengen Toxine (Giftstoffe), die die Darmschleimhaut angreifen und zerstören. Als Folge entwickeln die Patienten „Durchfall“, bei schwereren Fällen auch eine „pseudomembranöse Colitis“(Darmentzündung). In einigen Fällen verläuft die Infektion so schwer, dass die Patienten operiert und die entzündeten Anteile des Darms entfernt werden müskung
Dr. Jörg Herrmann ist Leiter des Instituts für Krankenhaushygiene Oldenburg. sen. Auch tödliche Verläufe können auftreten.
Kommt Clostridioides difficile nur bei Patienten im Krankenhaus vor
Nein, die Erkrankung kann auch bei Patienten auftreten, die ambulant vom Hausarzt mit Antibiotika behandelt werden. Ungefähr 80 Prozent aller Antibiotika werden in Deutschland ja im niedergelassenen Bereich verordnet. Allerdings kommt die mit C. difficile assoziierte Diarrhoe im ambulanten Bereich nur selten vor.
Im Krankenhaus muss allerdings immer bei einer nosokomialen, also im Krankenhaus erworbenen Durchfallerkrankung im Zusammenhang mit einer Antibiotikatherapie an eine C. difficile Infektion gedacht werden. Bestätigt sich diese in der mikrobiologischen Untersuchung, werden die Antibiotika abgesetzt, was in etwa einem Drittel der Fälle zur Besserung der Erkranführt. Reicht das nicht aus, müssen speziell gegen C. difficile wirkende Antibiotika eingesetzt werden. Es klingt zugegebenermaßen paradox, eine durch Antibiotika ausgelöste Erkrankung wiederum durch Antibiotika zu therapieren. Leider gibt es bei schwerkranken Patienten auch immer wieder Rezidive, was für diese sehr belastend sein kann.
Muss ich bei Durchfall in Folge einer Antibiotikagabe immer zum Arzt
Nein. In den meisten Fällen tritt bei einer Antibiotikatherapie gar kein oder nur vorrübergehender Durchfall auf. Leider werden bei einer Antibiotikatherapie ja nicht nur die „bösen“Bakterien abgetötet, die eine Infektion (zum Beispiel einen Harnwegsinfekt) verursachen, sondern auch die „guten“, die unseren Darm besiedeln und uns nicht schaden. Wenn diese sich wieder „erholt haben“, hört auch der Durchfall auf. Man kann diesen Prozess zum Beispiel durch den Verzehr von Joghurt, Kefir und anderen bakterienhaltigen Nahrungsmitteln unterstützen.
Wie gehen Sie vom Institut für Krankenhaushygiene in den Oldenburger Kliniken mit dieser Erkrankung um
Clostridioides difficile ist ein Erreger, der von uns mit erhöhter Wachsamkeit beobachtet wird. In der Literatur sind zahlreiche sogenannte „Ausbrüche“beschrieben, bei denen sich der Erreger sehr rasch unter den Patienten ausbreitet. Auch hierbei spielen die Sporen eine besondere Rolle. In den Oldenburger Kliniken sind wir davon bisher, toi, toi,toi verschont geblieben.
Patienten mit einer C. difficile assoziierten Erkrankung werden im Krankenhaus isoliert, das heißt sie kommen in ein Einzelzimmer und das Personal schützt sich mit Kittel, Handschuhen und MundNasenschutz vor einer Kontamination mit dem Erreger.
Da die Sporen nicht von den üblichen Desinfektionsmitteln abgetötet werden, müssen die Hände nach dem Ausziehen der Handschuhe auch gründlich mit Wasser und Seife gewaschen werden. Für die Desinfektion der Flächen müssen spezielle, sogenannte sporozide Desinfektionsmittel eingesetzt werden.
Jeder einzelne Fall wird vom Hygiene-Team erfasst und tagesaktuell dokumentiert. Somit haben wir jederzeit einen Überblick, ob es zu einer Ausbreitung von C. difficile kommt.
Die bundesweite statistische Erfassung von C.difficile zeigt in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg. Gibt es hierfür eine Erklärung
Zum einen wird eine Ausbreitung von neuen C.difficile-Stämmen beobachtet, die deutlich leichter übertragen werden und auch schwere Erkrankungen verursachen können.
Zum anderen spielt auch der breite Einsatz von Antibiotika eine große Rolle. Hier können wir alle etwas tun. Im Krankenhaus durch sogenannte „Antibiotic Stewardship“Programme, bei denen Kliniker, Apotheker, Mikrobiologen und Hygieniker für den sehr gezielten Einsatz der Antibiotika sorgen und im niedergelassenen Bereich, wo Patient und Arzt sich einigen sollten, nur bei schweren bakteriellen Infektionen ein Antibiotikum zu verwenden.