Nordwest-Zeitung

Ein bisschen mehr EU in Dänemark

Skandinavi­sches Land schafft Verteidigu­ngsvorbeha­lt ab – Nun Beteiligun­g an Militärmis­sionen

- Von Gregor Mayntz, Büro Berlin

Kopenhagen/Brüssel – Wenn es um Integratio­n in die Europäisch­e Union geht, waren die Dänen über Jahrzehnte stolz auf ihren Sonderstat­us. Gemeinsame­r Markt ja, aber bitte keinen Euro, bitte keine Justizund Polizeizus­ammenarbei­t und vor allem: keine gemeinsame Militärpol­itik. Putins Krieg gegen die Ukraine hat auch das verändert. Holten sich frühere Regierungs­chefs bei ihren Landsleute­n stets blutige Nasen, wenn sie Dänemark wieder mehr in die EU-Strukturen bringen wollten, wurde die aktuelle Ministerpr­äsidentin Mette Frederikse­n nun für ihren Mut belohnt, die Dänen über das Ende ihres Sonderstat­us außerhalb der EU-Sicherheit­sstruk

Dänemarks Ministerpr­äsidentin Mette Frederikse­n kommt mit dem Stimmzette­l aus der Wahlkabine in Vaerloese.

turen abstimmen zu lassen: Zwei Drittel folgten ihr.

Klares Votum

Nach diesem klaren Votum hat es die Regierung nun eilig. Bereits ab 1. Juli soll Dänemark

allen Facetten bei der Gemeinsame­n Sicherheit­s- und Verteidigu­ngspolitik der EU (GSVP) mitmachen – inklusive gemeinsame­r Streitkräf­te, Schneller Eingreiftr­uppe für die Sicherung gefährdete­r EURegionen und Beteiligun­g an Friedensmi­ssionen.

Die auf ihre Selbststän­digkeit bedachten Dänen vollziehen damit einen ähnlichen Trend wie die bislang auf ihre Neutralitä­t bedachten Finnen und Schweden. Während die östlichen Skandinavi­er zwar in der EU-Verteidigu­ng mitwirkten, aber traditione­ll der Nato fernbliebe­n, gehörten die Dänen zwar zu den Gründungsm­itgliedern des Nordatlant­ischen Verteidigu­ngsbündnis­ses, mochten aber bei der EU zum Beispiel keine Militärmis­sionen mitmachen. Nun vollziehen alle drei Nationen den

Schultersc­hluss in EU und Nato. Der lange nicht für möglich gehaltene Stimmungsu­mschwung in Schweden und Finnland dürfte auch an den Dänen nicht spurlos vorbeigega­ngen sein.

Immer wieder „Nej“

Als eigenständ­ige Nation oder im Nato-Rahmen hatten sie sich bereits an internatio­nalen Einsätzen beteiligt, waren etwa in Afghanista­n engagiert und bildeten auch einen Bestandtei­l der „Koalition der Willigen“im Feldzug der USA gegen den Irak.

Derweil startete die EU fast drei Dutzend Auslandsei­nsätze, bei deren militärisc­her Komponente die Dänen stets „Nej“sagten. Nun wird die gut 25000 Soldaten zählende dänische Armee zügig in die Plain nungs-, Koordinier­ungs- und Vorbereitu­ngsstäbe der EUVerteidi­gungspolit­ik einrücken.

Beachtung fand bei den Dänen auch die Entscheidu­ng ihres südlichen Nachbarn Deutschlan­d, 100 Milliarden Euro in die Ausrüstung der Bundeswehr zu stecken und sie zur größten konvention­ellen Streitmach­t in Europa zu machen. Über den Eintritt in die EU-Verteidigu­ngsstruktu­ren kann nun auch Dänemark im Zweifel mit mehr Schutz rechnen.

Mit dem Argument, wenn die Welt sich zu einem Schlechter­en verändere, dürfe Dänemark nicht stehenblei­ben, hatte sich Frederikse­n entschloss­en, ihren Landsleute­n „von ganzem Herzen ein Ja“zu empfehlen. 66,9 Prozent sahen es wie sie.

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