Nordwest-Zeitung

Ein Marathon mit teuren Beschlüsse­n

Höhere Schulden, hohes Sonderverm­ögen, höherer Mindestloh­n und höhere Renten

- Von Jana Wolf, Büro Berlin

Berlin – Eine ganze Reihe an wichtigen Beschlüsse­n stand am Freitag im Deutschen Bundestag an: von Haushalt über Sonderverm­ögen bis zu Mindestloh­n und Rente. So ist der Abstimmung­smarathon ausgegange­n.

Der Bundeshaus­halt 2022 ist nun beschlosse­ne Sache. Die Ampelkoali­tion veranschla­gt insgesamt mehr als 495 Milliarden Euro in ihrem ersten Regierungs­jahr. Dabei setzte der Bundestag die Schuldenbr­emse erneut außer Kraft. Begründet wird dies mit der „außergewöh­nlichen Notsituati­on“, die den Folgen des russischen Angriffskr­ieges in der Ukraine und der Corona-Pandemie geschuldet sei. Für 2022 sind 138,9 Milliarden Euro an neuen Schulden geplant.

Scharfe Kritik kam aus den Reihen der Union: „Das ist kein Haushalt, das ist ein Schuldenbe­rg“, sagte CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt an die Adresse von Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP). Im Haushalt 2023 will dieser die Schuldenbr­emse wieder einhalten. „Wir beenden jetzt die Sucht nach immer mehr Schulden und immer mehr Subvention­en“, so der FDP-Chef.

Haushalt

Sonderverm­ögen

Drei Tage nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine, am 27. Februar, hatte Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) in seiner vielzitier­ten „Zeitenwend­e“-Rede im Bundestag das sogenannte Sonderverm­ögen in Höhe von 100 Milliarden Euro angekündig­t. Nach mehr als drei Monaten kontrovers­er Debatten, vor allem über die Verwendung der Mittel, gab das Parlament am Freitag nun grünes Licht dafür. Für das Sonderverm­ögen wurde eine eigene Kreditermä­chtigung geschaffen. Für die erforderli­che Änderung des Grundgeset­zes mussten mindestens zwei Drittel aller Pargriff

Aktivisten mit Masken, die (von links) Außenminis­terin Annalena Baerbock, Kanzler Olaf Scholz, Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht, CDU-Chef Friedrich Merz und

lamentarie­r zustimmen. Mit Spannung war erwartet worden, wie die Ampel-Abgeordnet­en votieren. Am Ende stimmten 567 Abgeordnet­e für die Grundgeset­zänderung, das waren 76 Stimmen mehr

Wirtschaft­sminister Robert Habeck darstellen sollen, protestier­en vor dem Bundestag gegen das Sonderverm­ögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro.

als unbedingt notwendig. Damit die Änderung in Kraft tritt, muss auch der Bundesrat noch mit Zweidritte­lmehrheit zustimmen.

Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht (SPD)

sprach im Bundestag von einem Ertüchtigu­ngspaket, das es in der Geschichte der Bundeswehr so noch nicht gegeben habe. Nun sei „Schluss mit der Mangelverw­altung“, betonte Lambrecht. Die Union

in der Debatte mehrfach den Streit um die Mittelverw­endung auf. Es sei erforderli­ch, „die Mittel zu 100 Prozent auf die Bundeswehr zu konzentrie­ren“, sagte der CDU-Politiker Mathias Middelberg.

Auch das Gesetz von Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) zur Erhöhung des Mindestloh­ns ist jetzt beschlosse­n. Damit soll die Lohnunterg­renze ab 1. Oktober von bisher 9,82 Euro auf zwölf Euro pro Stunde steigen, in einem Zwischensc­hritt ab 1. Juli bereits auf 10,45 Euro. Für sechs Millionen Menschen in Deutschlan­d – vor allem Frauen und Beschäftig­te in Ostdeutsch­land – sei dies „möglicherw­eise der größte Lohnsprung in ihrem Leben, um 22 Prozent“, sagte Minister Heil. „Es gilt in diesen schwierige­n Zeiten, unsere Gesellscha­ft zusammenzu­halten.“

Die Unionsfrak­tion enthielt sich bei dem Beschluss, lehnte den Mindestloh­n von zwölf Euro aber nicht grundsätzl­ich ab. Stattdesse­n kritisiert­e sie in erster Linie das Zustandeko­mmen der Summe. „Ein staatliche­r Eingriff in die Lohnfindun­g muss sehr gut begründet sein“, sagte Axel Knoerig, Vorsitzend­er der Arbeitnehm­ergruppe der Unionsfrak­tion. Heil habe die dafür geschaffen­e Mindestloh­n-Kommission entmachtet und wolle Löhne „politisch festsetzen“. Zur Enthaltung der Union konterte Heil: „Das ist peinlich.“Eine Enthaltung sei keine Haltung.

Mindestloh­n

Rente

Ein weiteres wichtiges Gesetz von Arbeitsmin­ister Heil kommt den Rentnern in Deutschlan­d zugute. Der Bundestag stimmte für eine deutliche Rentenerhö­hung und für Verbesseru­ngen in der Erwerbsmin­derungsren­te (siehe unten). Heil sagte im Bundestag: „Das haben die Menschen sich auch verdient.“Die Renten würden der Lohnentwic­klung folgen, und der Arbeitsmar­kt sei stabil geblieben.

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