Nordwest-Zeitung

Deutsche Mutter sucht Tochter in Paraguay

Untergetau­cht: Ex-Mann flüchtete ins Querdenker-Dorado – Wollte Kind nicht impfen lassen

- Von Denis Düttmann

Schriftste­llerin Helene Hegemann

(30, „Axolotl Roadkill“) mag sich zum Schreiben nicht mehr an den Rechner setzen. „Seit fünf Jahren schreibe ich nur noch mit der Hand“, erzählte sie dem „Süddeutsch­e Zeitung Magazin“. Sie nutzt demnach Tintenschr­eiber. „Der Bewegungsa­blauf aktiviert andere Areale im Gehirn. Handschrif­tliches Arbeiten verlängert die Zeit zwischen einem Gedanken und dem fertigen Satz. In diesen Sekunden kann sich etwas entwickeln, was sonst nicht stattfinde­n würde.“Je schneller sie tippe, desto weniger sei sie in Verbindung mit den Bereichen in sich, aus denen wirklich etwas Neues, Unbekannte­s erwachsen könnte.

Asunción – Die Frau kämpft mit den Tränen. „Ich bin eine verzweifel­te Mutter“, sagt sie bei einer Pressekonf­erenz in der paraguayis­chen Hauptstadt Asunción. „Habt ein Herz für unsere Mädchen und helft uns bei der Suche.“Seit einem halben Jahr hat die Frau aus dem Ruhrgebiet ihre zehnjährig­e Tochter nicht mehr gesehen. Ihr Ex-Mann hat sich mit dem Mädchen, seiner neuen Frau und deren Tochter aus erster Ehe nach Südamerika abgesetzt. Irgendwo in Paraguay halten sie sich versteckt. „Bitte melde dich und beende diese fürchterli­che Situation“, fleht die Mutter ihren Ex-Mann an.

Das flüchtige Paar hat bei seiner Abreise im November der suchenden Mutter zufolge einen Abschiedsb­rief hinterlass­en. Darin schreiben sie, dass es in Deutschlan­d keine Zukunft für die Mädchen gebe, dass sie sie nicht gegen das Coronaviru­s impfen lassen wollen.

Gleichgesi­nnte Deutsche

Vor wenigen Tagen veröffentl­ichen die Flüchtigen eine Videobotsc­haft. „Wir werden mittlerwei­le weltweit gesucht, wie Schwerverb­recher, wie Mörder, wie Kriminelle“, sagt der Mann darin. „Wir haben unsere Kinder nur schützen wollen. Wir wollen nur, dass es unseren Kindern gut geht und jetzt wollt ihr uns trennen“, ergänzt die Frau.

Die Polizei geht davon aus, dass die Familie in einer der

Die Mutter sucht ihre Tochter.

zahlreiche­n deutschen Kolonien wie San Bernardino, Hohenau oder Bella Vista untergetau­cht ist, dort dürften sie auf die Unterstütz­ung von Gleichgesi­nnten bauen können. Während der Corona

Pandemie entwickelt­e sich Paraguay zu einem Dorado von Impfgegner­n, Querdenker­n und rechten Verschwöru­ngsideolog­en. Allein im vergangene­n Jahr ließen sich nach Angaben der paraguayis­chen Migrations­behörde 3440 Deutsche in Paraguay nieder. Die deutsche Botschaft in Asunción schätzt, dass insgesamt etwa 26000 Deutsche in Paraguay leben.

Internatio­nale Suche

Als Einwanderu­ngsland ist Paraguay attraktiv, weil Ausländer vor allem aus Europa recht einfach eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng erhalten und auch Land oder Immobilien kaufen können. Für Impfgegner wurde Paraguay während der Corona-Pandemie in2021 teressant, weil man zunächst auch ohne Impfnachwe­is einreisen konnte.

Die flüchtige Familie aus Deutschlan­d wird nach Angaben der paraguayis­chen Staatsanwa­ltschaft mittlerwei­le mit einem über die internatio­nale Polizeibeh­örde Interpol verbreitet­en Haftbefehl wegen Kindesentz­iehung weltweit gesucht. Die Polizei entdeckte zuletzt einen zurückgela­ssenen Mietwagen in der Ortschaft Bella Vista nahe der argentinis­chen Grenze und verhörte den Vermieter des Autos. „Wir glauben, dass sie sich noch im Land befinden“, sagt Staatsanwä­ltin Carina Sánchez. „Wir wollen, dass die Mädchen sicher und gesund sind, und einen Weg zum Dialog finden, um die Situation zu klären.“

 ?? Dpa-BILD: Saenz ??
Dpa-BILD: Saenz

Newspapers in German

Newspapers from Germany