Augen auf in der begehbaren Schatzkiste
Künstler Phil Porter hat in Bremen das „Schnoor One“eröffnet – und verkauft Gegenstände samt Geschichten
Bremen – Es ist noch früh im Bremer Schnoor, das Viertel wird gerade erst wach. Geschäftig gehen Handwerker ihrer Arbeit nach, die ersten Passanten schlendern durch die Gassen.
Wie ein sanfter Weckruf schweben da die Töne beschwingter Musik aus dem Schnoor Nummer 1. Dem schmucken, schmalen Haus hat der Künstler und Fotograf Phil Porter erst vor Kurzem neues Leben eingehaucht. Wo einst das Lokal „Ausspann“beherbergt war, gibt’s jetzt am Tor zum Schnoor ein „Sammelsurium der Dinge, die ich liebe“, wie Phil Porter es beschreibt.
Was also findet man vor, wenn man die altehrwürdige, steinerne Pforte durchschreitet? „Es ist eine Mischung aus Kuriositätenkabinett, Antiquitäten und Pflanzenladen“, sagt Phil Porter und lacht. „Ich verstehe mich als Kurator schöner Dinge“, fügt der Bremer hinzu – für den Termin gekleidet im pflaumenfarbenen Anzug mit gehäkelter Krawatte und Einstecktuch. Den Blick fürs Besondere hat der junge Mann sicher.
Nun – zum Einen gibt es Requisiten aus Phil Porters aufwendig inszenierten Fotoshootings. Aber auch aus Theaterhäusern, von Flohmärkten oder von Privatleuten stammt das Inventar. Alles steht zum Verkauf und darf mit ausdrücklichem Wunsch angehoben und angefasst wer
Anfassen, anheben (außer das Personal) und ansehen erlaubt – Künstler und Fotograf Phil Porter und Mitarbeiterin Chantal präsentieren gekonnt Verkaufsgegenstände aus dem „Schnoor One“
Alt neben neu: Der moderne Glaskopf fügt sich passend neben den Antiquitäten ein.
„Außer das Personal, das ist nicht jedem vergönnt“, kommentiert Porter verschmitzt.
So gut wie jedes Stück im „Schnoor One“erzählt eine Geschichte. Der gusseiserne Jugendstil-Ofen mit schöner Patina ist von der Nachbarin, die ihren Laden zwei Straßen weiter hat, erzählt Porter. Eine große Ton-Amphore stammt aus dem Garten eines Ehepaars in Nordrhein-Westfalen, eine kleinere gar aus der Sahelzone. Ein Krokodil aus einem Theaterfundus, alte Holzkrücken aus einem seiner Fotoshootings.
Auch Altes ist schön
„Wir kaufen nicht einfach nur Dinge ein“, sagt Phil Por
„Sondern erkundigen uns auch, welche Geschichten dahinter stecken und erzählen diese weiter.“Die Gesellschaft entwickele sich erfreulicherden.
Schmuckes Einzelstück: Die Holzpuppe stammt vermutlich aus Asien – und hat zwei Gesichter.
weise dahin weiter, nicht mehr ständig neue Dinge zu kaufen, sondern auch den alten eine Chance zu geben. „Die Person, der die Sachen gehörter.
Mit Sicherheit hat auch das Krokodil viel zu erzählen – wenn man es denn lässt.
ten, lebt somit in gewisser Weise weiter.“All die alten Dinge haben manche Gebrauchsspuren – und darum geht es dem Bremer auch: „Es geht nicht darum, möglichst schön und perfekt zu sein, sondern gelebt zu haben.“Ergänzt werden die vielen Antiquitäten und Kuriositäten durch neue Ware. Denn: „Alt und neu kann man miteinander kombinieren“, findet Phil Porter.
Wand aus Holzresten
Und dass man sogar aus alten Sachen schöne Dinge zaubern kann, beweist allein die Wand im „Schnoor One“. Durch die Arbeit an seinem Bildband „Waste“stöbert der Künstler des Öfteren auf dem
Bei Besuchern beliebt: das Weinregal und der gusseiserne Ofen
Gelände des Entsorgungsunternehmens Hirsch in Hemelingen. Da fielen ihm Holzreste auf – er nahm sie mit, flambierte sie vor der Tür und zimmerte sie an die Wand. Heraus kommt eine wohlige Umgebung. „Es ist ein bisschen wie Urlaub“, meint Porter.
Bäume im Treppenhaus
Belebt wird aber nicht nur der unterste Raum, in dem sich einst die Küche des Ausspann befand. In den Höheren Etagen befinden sich das Fotoatelier und gemütlich unter dem Dach die Wohnung des Künstlers. Fertig ist das Konzept noch lange nicht – schließlich sprüht Phil Porter nur so vor Ideen. Im Treppenhaus soll ein „begehbares Baumhaus“mit echten Holzstämmen entstehen, in dem Phil Porter seine Fotografien präsentieren möchte.
Zwar fiel ihm der Auszug aus seinem bisherigen Domizil – dem „Salon Obscura“in der Hollerstraße – sehr schwer. Doch nun im Schnoor arbeiten und leben zu dürfen, ist für den Künstler etwas ganz Besonderes – und ein Privileg. „Das Schnoor ist für mich meine Entsprechung von Lebenskultur. Es ist nicht selbstverständlich, hier sein zu dürfen, und ich bin sehr dankbar dafür. Hier kann ich mich kreativ entfalten und auch andere inspirieren.“