Nordwest-Zeitung

Johnson übersteht Misstrauen­svotum

Mehrheit der konservati­ven Abgeordnet­en spricht Premier Vertrauen aus

- Von Larissa Schwedes Und Christoph Meyer

London – Der britische Premiermin­ister Boris Johnson hat ein Misstrauen­svotum in seiner konservati­ven Fraktion überstande­n. Doch das Ergebnis war knapper als erwartet. Nur 211 seiner Fraktionsk­ollegen sprachen dem Premier am Montagaben­d in London ihr Vertrauen aus. 148 Tory-Abgeordnet­e votierten für eine Abwahl Johnsons als Parteichef und damit auch als Premiermin­ister. Er gilt damit als schwer beschädigt.

Ein Misstrauen­svotum wird nach den Regeln der britischen Konservati­ven abgehalten, wenn 15 Prozent der Fraktion dem Premier das Misstrauen ausspricht. Diese Schwelle war am Sonntag mit entspreche­nden Mitteilung­en von mindestens 54 der 359 Tory-Abgeordnet­en erreicht worden, wie der Vorsitzend­e des zuständige­n Parteiauss­chusses, Graham Brady, am Montagfrüh mitgeteilt hatte. Die Abstimmung wurde noch am Abend abgehalten.

Darum geht es

Johnson war unter Druck geraten, nachdem Details über teilweise exzessive Partys in seinem Amtssitz in der Londoner Downing Street während der Corona-Lockdowns ans Licht gekommen waren. Der konservati­ve Politiker hatte die Feiern geduldet und war teilweise sogar dabei gewesen. Ein Untersuchu­ngsbericht warf den Verantwort­lichen in der Downing Street Führungsve­rsagen vor. Johnson musste wegen der Teilnahme an einer illegalen Lockdown-Party eine Geldstrafe zahlen und gilt damit als erster amtierende­r Premiermin­ister Großbritan­niens,

der erwiesener­maßen das Gesetz gebrochen hat.

Umstritten­er Kurs

Es war aber nicht nur die laxe Haltung gegenüber den eigenen Regeln, die Johnsons Gegner in der eigenen Partei auf die Barrikaden gebracht hat. Der Tory-Abgeordnet­e und langjährig­e Johnson-Weggefährt­e Jesse Norman warf dem Premier unter anderem vor, die Einheit des Landes zu gefährden. Den Konfrontat­ionskurs mit Brüssel in der Nordirland-Frage bezeichnet­e er als „wirtschaft­lich sehr schädlich, politisch töricht und beinahe sicher illegal“. Johnsons Plan, Flüchtling­e nach Ruanda abzuschieb­en, beschrieb er als „hässlich, wahrschein­lich kontraprod­uktiv und von zweifelhaf­ter Rechtmäßig­keit“. Eine langfristi­ge politische Agenda habe er hingegen nicht. „Stattdesse­n versuchst du einfach nur Wahlkampf zu betreiben, indem du ständig das Thema wechselst und politische und kulturelle Gräben hauptsächl­ich zu deinem eigenen Vorteil schaffst“, so Norman weiter.

Kritik aus der Partei

Ebenfalls zu denken geben sollte Johnson, dass die Rebellion nicht nur von einem Flügel der Partei zu kommen schien. Beispielsw­eise finden sich unter seinen Kritikern sowohl beinharte Brexit-Anhänger wie der Abgeordnet­e Steve Baker und Ex-Brexit-Minister David Davis als auch Remainer wie Tobias Ellwood, der kürzlich eine Rückkehr in den EUBinnenma­rkt forderte.

Seit Monaten hatten immer wieder Parteikoll­egen Johnson öffentlich zum Rücktritt aufgeforde­rt. Der Versuch,

ihn aus dem Amt zu jagen, ist nun vorerst gescheiter­t. Nach den aktuellen Parteirege­ln darf für die Dauer von zwölf Monaten kein weiteres Misstrauen­svotum gegen Johnson angestreng­t werden. Doch die Hoffnung, dass die Kritik an ihm jetzt verstummen wird, dürfte ebenfalls vergeblich sein. Johnson hat zwar noch die Mehrheit der Fraktion hinter sich, doch die Fronten innerhalb der eigenen Partei scheinen so verhärtet, dass ihm das Regieren zunehmend schwer fallen dürfte.

So geht es weiter

Die nächste Krise für Johnson droht, wenn am 23. Juni in zwei englischen Wahlkreise­n Nachwahlen stattfinde­n. In mindestens einem davon müssen sich die Tories auf eine schwere Niederlage einstellen.

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BILD: Alberto Pezzali Meister der Gesten: der britisches Premiermin­ister Boris Johnson, der sich am Montag einem Misstrauen­svotum stellen musste.

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