Studenten stechen mit Schwergewicht in See
Tüftler der Jade Hochschule konstruieren zwei 140-Kilogramm-Boote für internationalen Wettkampf
Oldenburg – „Wir werden gewinnen, auf jeden Fall an Erfahrung“, sagt Heinrich Wigger. Aufmerksam beobachtet er, ob die jungen Menschen um ihn herum auf dem Bootssteg das Kanu ordentlich zu Wasser lassen – sprich auf den Küstenkanal. Denn bei dem Gefährt handelt es sich um ein Schwergewicht: Ganze 140 Kilogramm wiegt es – hergestellt aus Beton: „Und damit ist es nur halb so schwer wie unser Kanu aus 2017“, resümiert der Professor vom Institut für Materialprüfung an der Jade Hochschule. Zum Vergleich: Ein klassisches Kanu wiegt zwischen 15 und 20 Kilogramm.
■ Einmaliges Miteinander
Ganz vorsichtig – fast wie ein rohes Ei – lassen die eifrigen Frauen und Männer das 4,70 Meter lange und 80 Zentimeter schmale Kanu ins Wasser gleiten. Ein kurzer Moment der angespannten Stille folgt und dann Gewissheit: Es schwimmt! Ausgelassene Erleichterung macht sich breit: „Dass es so einfach geht, hätte ich nicht gedacht, nur gehofft“, räumt Architektur-Student
Paul Eilers ein.
Seit Anfang April tüfteln er und 21 weitere Studierende aus der Architektur und dem Bauingenieurwesen daran, wie sie ein Betonkanu bauen können, das schwimmt, wasserdicht und möglichst leicht ist. Als Erstes haben sie eine Außenform aus Holz gebaut, ein Kohlefasernetz verleiht Stabilität und in die Form wurde später der Beton gegossen.
■ Einmalige Mischung
Theorie versus Praxis: Unzählige Betonmischungen haben die Tüftler angesetzt, um das richtige Mischverhältnis von Wasser, Zement, Gesteinskörnern, Flugasche, Zusatzstoffen und -mitteln zu finden. Die Crux: „Man braucht einen Beton, der einerseits flüssig genug ist, um sich gut verstreichen zu lassen, und andererseits fest genug ist, um an den Bootaußenwänden beim Auftragen gut haften zu bleiben“, erklärt Paul Eilers. Dazu muss der Beton stabil sein und glatt verspachtelt, damit der Strömungswiderstand möglichst gering ausfällt. Was ein bisschen nach der Quadratur des Kreises klingt, lässt sich auch in Lehrbüchern nicht nachlesen: Trial and Errror, Versuch
und Irrtum, lautet das Motto.
Der Antrieb der Studierenden – mit Unterstützung von Wigger: die 18. Betonkanuregatta am 10. und 11. Juni auf dem Beetzsee in Brandenburg. 77 Teams mit 45 Rennkanus nehmen teil – darunter Mannschaften aus den Niederlanden, Österreich, der Schweiz,
der Türkei, Ungarn und Polen. Die Jade Hochschule schickt zwei „Kanuton“-Teams ins Rennen: ein Damen- und ein Herrenpaar.
■ einmaliges Erlebnis
Doch zurück zu den ersten Schwimmversuchen: Inzwischen
haben die Studierenden auch das zweite Kanu erfolgreich zu Wasser gelassen. Nun müssen sie testen, ob und wie sich die Kanus fahren lassen. Line Mawick und Marie Ehlen, beide 20 Jahre jung und erfahrene Kanutinnen, klettern vorsichtig ins Boot und hocken sich auf den Boden. Eine Sitzbank oder anderen Komfort sucht man vergebens. Nur ein bisschen Schaumstoff schützt die Knie. Anfänglich noch zögerlich paddeln sie los, mit jedem Meter werden sie sicherer und geschickter. „Auf der Rennstrecke müssen wir um 180 Grad wenden und auf dem Rückweg Slalom fahren, dafür brauchen wir ein wendiges Boot“, sagt Marie Ehlen.
Auch Moritz Hohn und Johannes Kuchenbuch steigen in ihr Exemplar: „Eine ziemlich wackelige Angelegenheit“, resümiert der 23-jährige Kuchenbuch. Obwohl das Boot der beiden Männer deutlich mehr „Tiefgang“hat, schwimmt es. Mit kräftigen Paddelschlägen bringen die beiden Kanuten ihr Boot in Fahrt. Die übrigen Studierenden verfolgen das Spektakel vom Steg aus. Schon beginnen die ersten Spekulationen, wie das Rennen auf dem Beetzsee ausgehen könnten. „Zumindest sieht es nicht nach einem Untergang aus“, resümiert einer der Studierenden zufrieden. Für ihn und seine Mitstreiter geht es am Donnerstag nach Pfingsten los. „Viel Schlaf wird es nicht geben, dafür aber ein einmaliges Erlebnis“, verspricht Heinrich Wigger.