So schön schräg waren die 90er Jahre
Dauerwelle, Jeans-Look und Farbrausch: Stück „Pension Schöller“begeistert Zuschauer
2004 In Kopenhagen wird das „Dänische Jüdische Museum“eröffnet. Das nach Plänen des Architekten Daniel Libeskind gestaltete Museum enthält vor allem eine Sammlung alter jüdischer Schriften.
1972 Das Mädchen Kim Phuc Phan Thi flieht nackt und schreiend mit ihren Brüdern vor einem Napalm-Angriff in Vietnam. Das preisgekrönte Bild des Fotografen Nick Ut wird zum Symbol des Krieges.
1937 Die Vertonung der „Carmina Burana“von Carl Orff wird in Frankfurt uraufgeführt. Bei der „Carmina Burana“handelt es sich um eine Sammlung mittelalterlicher Texte.
Geburtstage: Jasmin Tabatabai (1967/Bild), deutsche Schauspielerin und Sängerin (Krimiserie „Letzte Spur Berlin“); Ernst Gisel (1922-2021), Schweizer Architekt, „World Trade Center Zürich“
Todestag: Hedwig Bollhagen (1907-2001), deutsche Keramikkünstlerin
Namenstag: Engelbert, Helga
Oldenburg – Die 1990er Jahre hatten es in sich. Ost und West hatten zueinander gefunden, Welten waren aufeinander geprallt, die Mode entfaltete ihren Charme inklusive Puffärmeln, Lederloafer und SatinJogginganzügen. Mittendrin: die Westberliner „Pension Schöller“. Das heitere Lustspiel, ursprünglich von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby aus dem Jahr 1890, hat Marc Becker (Regie) nun für das Oldenburgische Staatstheater in einer Neufassung mit dem Untertitel „Throwback to the Neunziger“auf die Bühne gebracht.
Philipp Klapproth (exzellent: Matthias Kleinert) ist Traktorist a.D. – und Privatier. Er hat nach der Wiedervereinigung das alte Schloss seiner Familie im Osten zurückbekommen und sucht nun eine möglichst gewinnbringende Vermarktungsmöglichkeit.
Eine Nervenheilanstalt für Reiche kommt ihm in den Sinn und er sucht seinen Neffen Max (Fabian Kulp) in Berlin auf. Der soll ihm helfen, mal Einblick in ein solches Etablissement zu bekommen. Da Max keines kennt, aber auf den Lohn des Onkels angewiesen ist, führt er ihn kurzerhand in die Pension Schöller und verkauft diese als Anstalt. Und schon nimmt der schräge Wahnsinn seinen Lauf.
Ungewöhnliche Gäste
Denn für Philipp Klapproth sind die gewöhnlichen Gäste alle irre Patienten, und er macht sich einen Heidenspaß daraus, die angebliche Anstalt zu erforschen. Darunter sind etwa der beurlaubte US-Soldat Steve Gray (Karl Miller) mit einer Vorliebe für Whiskey und Johnny Cash; die äußerst ambitionierte Autorin Josephine Krüger (Meret Engelhardt) und der mehr oder minder talentierte Schauspieler
in spe Till Rümpel (Thomas Kramer).
Der umtriebige Weltenbummler Frank Bernhardy (Klaas Schramm) schneit nach einer langen Reise auch wieder rein. Und als wäre das noch nicht genug, kommt der Hausherr noch obendrauf: Thomas Birklein spielt Günter Schöller kurios und zugleich ernsthaft, wie einen Roland Kaiser-Verschnitt mit trendy Schnauzbart. Mit Max unter einer Decke steckt Schöllers Tochter Charlotte (Anna Seeberger) – und Philipp Klapproths zerstreute Schwester Ulrike Sprosser (entzückend: Franziska Werner) hat von all dem überhaupt keinen Schimmer.
Vielfalt der Charaktere
Das Stück lebt von der Vielfalt der Charaktere. Diese
mit Leben zu füllen, gelingt jedem und jeder Einzelnen auf der Bühne ausnahmslos. Es ist eine Freude, dem Ensemble zuzuschauen. Das Stück mag sich in manchen Augenblicken ganz dezent ziehen, dafür wird man als Zuschauer
aber stets von der wunderbar schrillen und schrägen Geschichte wieder in Bann gezogen. Was auch am stilechten, komplett holzfurnierten Bühnenbild und den Kostümen liegt, dafür zeichnete Sandra Münchow verantwortlich.
Die Welt vor der Tür kann in diesen Tagen durchaus belasten und überfordern. Wer davon eine Pause nehmen mag – und sei es nur für einen Abend – ist in der Pension Schöller genau richtig. Marc Becker hat hier eine bekannte Geschichte humorvoll, bunt und witzig inszeniert. Man muss die verschiedenen Gäste einfach gern haben. Und man schaut herzlich gern zu, wie sich die Spirale des Wahnsinns immer weiter dreht. Und überhaupt, was ist schon normal?
Fazit: Ein schönes Lustspiel, bei dem man sich wunderbar unterhalten fühlt.
Weitere Termine für „Pension Schöller“sind 18. Juni, 3. Juli, 7. Juli und 16. Juli. Außerdem wird das Stück in der Spielzeit 22/23 wieder aufgenommen. Mehr Infos unter
@ www.staatstheater.de