Nordwest-Zeitung

Verhandler unter Doppeldruc­k

- Von Gregor Mayntz, Büro Berlin

Der Jubel war laut, aber die Motivation verwirrend: Völlig überrasche­nd verhindert­en Grüne, Sozialdemo­kraten, Linke und Rechtspopu­listen mit ihrer Mehrheit das zentrale Zertifikat­ehandel-Projekt des EU-Klimaschut­zpaketes. Die einen, weil es ihnen nicht weit genug ging, die anderen, weil es ihnen viel zu weit ging.

Wie ein nun nötiger neuer Anlauf aussehen wird, werden die Grünen also kaum mit den Rechtspopu­listen aushandeln. Sondern mit der Union. Und da hier mit Peter Liese ein deutscher CDU-Politiker federführe­nd ist, gibt es eine bemerkensw­erte Parallelit­ät: In Brüssel wird Liese bereits in der nächsten Woche mit den Grünen erneut verhandeln.

Zugleich ist er auch einer der wichtigste­n Akteure bei den Koalitions­verhandlun­gen zwischen CDU und Grünen in NRW. Auch in Kiel sitzen Europa-Abgeordnet­e mit am Verhandlun­gstisch. In beiden Ländern geht es im Kern um die künftige Aufstellun­g der Landesregi­erungen im Kampf gegen den Klimawande­l. Der Verständig­ungsdruck kommt also von zwei Fronten. Der Brüsseler und der deutschen.

Nicht zu übersehen ist, dass nach Warnungen von Gewerkscha­ften auch ein Teil der Sozialdemo­kraten mit der EVP stimmte. Im Hintergrun­d geht es auch um einen lagerüberg­reifenden Konflikt zwischen Klima-Aktivisten und Job-Besorgten.

Zu erwarten ist nun, dass es einen Abschluss der finalen Verhandlun­gen erst unter der kommenden tschechisc­hen Ratspräsid­entschaft kommt, die pragmatisc­her aufgestell­t ist. Und selbst nach dem klaren Votum der Parlaments­mehrheit für ein Aus für Verbrenner ab 2035 ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. FDP-Chef Lindner drängte am Tag danach die Bundesregi­erung entspreche­nd Koalitions­vertrag in Richtung „Technologi­eoffenheit“. Könnte sein, dass die Verlierer der Abstimmung von gestern, die Gewinner der Entscheidu­ng von übermorgen sind.

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