Nordwest-Zeitung

Die Ampel blinkt Gelb

- Von Jan Drebes, Büro Berlin

Flügge Demokratis­che Partei. Dafür könnten die drei Buchstaben der FDP derzeit auch stehen. Die Freien Demokraten nutzen beinahe jede Chance, eine andere Meinung zu vertreten, als es die sozialdemo­kratischen und grünen Partner in der Koalition tun. Die FDP will hervorstec­hen, sich absetzen – das ist offensicht­lich. Aber nutzt es ihr auch? Mit dem Wechsel aus der Regierung in die Opposition in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen ist die FDP massiv unter Druck geraten. Die Umfragewer­te im Bund liegen mit acht Prozent deutlich hinter dem Wahlergebn­is von 11,5 Prozent bei der Bundestags­wahl.

So bekommt das in den Koalitions­verhandlun­gen noch sorgsam gepflegte Bild einer verschwore­nen Ampel-Truppe mehr und mehr Risse. Die Ampel streitet, die Ampel blinkt dabei auffallend oft gelb. Im Straßenver­kehr bedeutet das: aufpassen, sonst kann es gefährlich werden. Für die Koalition gilt das gleicherma­ßen.

Die FDP-Spitze um Parteichef und Finanzmini­ster Christian Lindner fährt einen sehr riskanten Kurs. Neue Vorhaben aus den roten und grünen Ministerie­n werden öffentlich in ungewöhnli­ch scharfem Ton kritisiert, die Opposition lacht sich an der Seitenlini­e ins Fäustchen. Wie häufig das vorkommt, zeigt eine Liste von fünf Beispielen – allein aus dieser Woche.

■ Beispiel eins: die Corona-Pandemie. Justizmini­ster Marco Buschmann drückt am Mittwoch auf die Bremse und verweist auf einen Evaluierun­gsbericht von Experten, den es abzuwarten gelte, bevor neue Maßnahmen im Infektions­schutzgese­tz für den Herbst beschlosse­n werden dürften. Die Grünen mahnen, dass die FDP nicht wieder blockieren und bremsen solle.

■ Beispiel zwei: Energiesic­herheit. Lindner fordert, entgegen der Positionen von SPD und Grünen, sich der Debatte um Laufzeitve­rlängerung­en von Atomkraftw­erken nicht zu verschließ­en angesichts der Folgen des Ukraine-Kriegs. In der Koalition kracht es deswegen ordentlich.

■ Beispiel drei: die Entlastung­en der Bürger. Der teure Tankrabatt entpuppt sich als Strohfeuer, die Spritpreis­e haben bereits wieder ihr vorheriges Niveau erreicht, Steuermill­iarden drohen in den Taschen der Konzerne zu landen. Und die FDP? Lehnt eine Übergewinn­steuer vehement ab, die von SPD und Grünen gewollt ist. Eine Lösung ist noch nicht in Sicht.

■ Beispiel vier: das Verbrenner-Aus. Nach der Entscheidu­ng des Europaparl­aments für ein Verbrenner­verbot ab 2035 kündigt Verkehrsmi­nister Volker Wissing (FDP) Widerstand an und will auch danach Verbrenner­fahrzeuge erlauben, solange sie nur synthetisc­he Kraftstoff­e tanken können. SPD und Grüne sind gegen solche Ausnahmen.

■ Beispiel fünf: das Tierwohlla­bel. Selbst bei diesem Thema grätschte Lindner mit der Warnung vor noch teureren Lebensmitt­eln öffentlich rein, als der grüne Agrarminis­ter Cem Özdemir Pläne für eine neue Kennzeichn­ung vorstellte.

Das Problem: In der Vergangenh­eit fruchteten solche Profilieru­ngsversuch­e der FDP kaum. Geht es so weiter, droht der Ampel ein sehr hitziger Sommer und Herbst.

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Kampagnen

Alexander Will über Technologi­e und Ideologie würfe urbaner Eliten aus. Sie drücken ihre Vorstellun­gen vom öko-korrekten Lebensstil nun mit Macht durch. Die Zeche zahlen darf der verachtete Rest, besonders auf dem Lande. Glaubwürdi­g werden solche Leute allerdings erst dann, wenn 200 Meter hohe Windräder auch in den Höfen der Altbau-Wohlstands­bunker in Berlin-Prenzlauer Berg errichtet werden.

Wie es jenseits von Ideologie und Heuchelei geht, machen unterdesse­n andere vor. Zum Beispiel Frankreich: Dort baut der kluge Gallier die Atomkraft aus. Andere Nationen auch. Inzwischen ist es möglich, selbst aus Atommüll Energie zu gewinnen und ihn dabei zu entschärfe­n. Die Technologi­e hat nicht Deutschlan­d zur Reife gebracht – da hat man ja angststarr Atomenergi­e zu Teufelszeu­g erklärt. Das war unter anderem – Russland.

Der beschränkt­e Germane macht sich dagegen abhängig – nach russischem Gas nun von unzuverläs­siger „erneuerbar­er“Energie. Das Ende ist absehbar: Da muss dann eben doch Steinkohle­strom aus Polen oder Atomstrom aus Frankreich her. Ganz besonders, wenn all die ElektroVeh­ikel am Abend an der Dose hängen.

Schon heute haben wir die höchsten Strompreis­e in Europa. Nun dürfte in absehbarer Zeit der Mangel hinzutrete­n. Die Regierung ist auf dem besten Weg, Energieträ­ger zum umkämpften Luxusgut zu machen. Das ist ökonomisch­er Blindflug gepaart mit Doppelmora­l.

@ Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de

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Zeichnung: Jürgen Tomicek

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