Kommt die Amok-Früherkennung?
SPD offen für bundesweites Programm – Ermittlungen gehen weiter
Berlin – Das SPD-geführte Bundesinnenministerium und Sicherheitsexperten der SPD-Bundestagsfraktion haben sich grundsätzlich offen dafür gezeigt, das in Nordrhein-Westfalen angewandte Programm zur Früherkennung von Amok-Tätern bundesweit auszurollen. „Das Bundesinnenministerium begrüßt die Initiative von NRW, der Abschlussbericht des Projektes ist im Bundesinnenministerium bekannt und wird hier derzeit ausgewertet“, teilte eine Sprecherin von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) mit.
Hintergrund der neuen Debatte ist die Todesfahrt eines 29-Jährigen in Berlin, der am Mittwoch mit seinem Kleinwagen eine Frau tötete und insgesamt mehr als 30 Menschen verletzte. Besonders getroffen von der Tat ist eine Schulklasse aus dem nordhessischen Bad Arolsen. Der 29 Jahre alte Fahrer hat bislang keine Angaben zur Tat gemacht. Er befindet sich auf Antrag der Staatsanwaltschaft in einem psychiatrischen Krankenhaus. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hat eine psychische Erkrankung des Mannes zu der Todesfahrt geführt. Er war bereits wegen mehrerer Delikte polizeibekannt.
Früher Eingriff
Um solche Menschen frühzeitig als potenzielle Amok-Täter zu erkennen, hat Nordrhein-Westfalen das Projekt „Periskop“in allen 47 Kreispolizeibehörden eingerichtet. Die Idee: Menschen aufspüren, die durch andere Delikte häufiger auffällig geworden sind und ihnen psychische Hilfe zukommen zu lassen oder bei Anzeichen für eine bevorstehende Amoktat frühzeitig mit der Polizei einzugreifen.
Das Bundesinnenministerium teilte nun mit, dass über
Blumen liegen vor der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche: Eine psychische Erkrankung hat aus Sicht der Staatsanwaltschaft dazu geführt, dass ein 29-Jähriger über Gehwege des Ku'damms und der Tauentzienstraße gerast ist.
ein bundesweites Konzept aus Sicht des Ministeriums erst entschieden werden solle, wenn die Auswertung des Berichts vorliege.
Der für Innenpolitik zuständige SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte auf Anfrage: „Anschläge und Amokfahrten wie am Mittwoch in Berlin kosten jedes Jahr zahlreiche Menschenleben und bringen den Opfern und den Hinterbliebenen unendlich viel Leid. Unser Ziel muss es sein, diese Art von Anschlägen im Vorfeld so gut wie es geht zu verhindern.“Die Früherkennung von potenziellen Amokläufern und Attentätern müsse ganz oben auf der Agenda stehen. Das Periskop-Konzept, das auf der Innenministerkonferenz im Dezember 2021 vorgestellt wurde, begrüße er daher
grundsätzlich. „Es kann neben anderen Maßnahmen ein gutes und effektives Instrument sein, um potenzielle Amokläufer und Attentäter im Vorfeld identifizieren zu können – vielleicht auch bundesweit“, sagte Wiese. Auch er will auf den Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe warten.
Blumen niedergelegt
Am Vorabend hatten der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Tatort Blumen für die Opfer niedergelegt. „Ich empfinde ganz tiefe Trauer, wenn ich diesen Ort sehe, und mein Herz ist wirklich schwer, seitdem ich die Nachrichten erfahren habe“, sagte Rhein.
Das Land Berlin hat ein Beratungstelefon eingerichtet.
Betroffene der Tat könnten sich dort täglich rund um die Uhr melden.
Witzenhausen, Oktober 2021:
In der Kleinstadt fährt ein 30-Jähriger vor einer Kita in eine Schülergruppe. Ein achtjähriges Mädchen stirbt im Krankenhaus. Laut Staatsanwaltschaft besteht der Verdacht des Heimtückemordes.
Trier, Dezember 2020: Volkmarsen, Februar 2020:
Am Rosenmontag steuert ein 29 Jahre alter Mann sein Auto bei einem Karnevalsumzug absichtlich in die Menge. Mindestens 88 Menschen, darunter 26 Kinder, werden teils schwer verletzt. Der Fahrer wird zu lebenslanger Haft verurteilt, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Bottrop und Essen, Januar 2019:
Kurz nach dem Jahreswechsel steuert ein Rechtsradikaler sein Auto an beiden Orten in Feiernde, die er für Ausländer hält. Es gibt 14 Verletzte. Der Deutsche kommt in die geschlossene Psychiatrie.
Münster, April 2018:
Ein Mann rast mit einem Campingbus in eine Gruppe von Menschen vor einer beliebten Gaststätte, dann erschießt er sich. Fünf Menschen sterben, mehr als 20 werden verletzt.