Nordwest-Zeitung

Materialma­ngel am Bau so groß wie nie

Weiterer Preisansti­eg – Zahl der stornierte­n Aufträge steigt vor allem im Wohnungsba­u

- Von Christof Rührmair

München – Der Materialma­ngel am Bau ist so schlimm wie seit mehr als 30 Jahren nicht mehr. Im Hochbau nahm der Anteil der Unternehme­n, die bei einer Umfrage des Ifo-Instituts Engpässe meldeten, um 2,4 Punkte auf 56,6 Prozent zu, wie das Münchener Wirtschaft­sforschung­sinstitut am Freitag mitteilte. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Erhebung 1991. Im Tiefbau sank der Anteil minimal auf 44,8 Prozent – der zweithöchs­te hier je ermittelte Wert.

Baustahl knapp

„Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben sich die Lieferprob­leme bei Baustoffen drastisch verschärft“, sagte Ifo-Forscher Felix Leiss. „Besonders knapp ist derzeit Baustahl, der oft aus Russland oder der Ukraine importiert wurde.“Auch beim Bitumen komme es zu Problemen, Ziegelstei­ne und Dämmstoffe seien rar. Der Mangel macht Bauen teurer: „Die Materialpr­eise legen infolge der Knappheit und höheren Energiekos­ten weiter zu“, sagte der Experte.

Dem Ifo zufolge berichtete ein Großteil der Firmen im Hochbau, die Preise kürzlich angehoben zu haben. Weitere Schritte seien in den kommenden Monaten geplant.

Auch im Tiefbau kam es vielerorts zu Erhöhungen. Steigende Baukosten und höhere Zinsen führten besonders im Wohnungsba­u vermehrt zu Auftragsst­ornierunge­n, sagte Leiss. Im Mai berichtete­n 13,4 Prozent der Hochbauer davon, im April waren es noch 7,5 Prozent und im März 4,6 Prozent. Im Tiefbau waren es laut Ifo 8,8 Prozent, nach 9,3 Prozent im April. Insgesamt sind die Auftragsbü­cher dem Ifo zufolge aber immer noch prall gefüllt.

Einer Prognose der Strategieb­eratung EY-Parthenon nach wird es in den kommenden Jahren ein moderates Wachstum im Hochbau geben – trotz knapper und teurer

Baumateria­lien, Fachkräfte­mangel und Konjunktur­risiken. Maßgeblich­er Treiber seien neben dem Wohnraumma­ngel vor allem energetisc­he Sanierunge­n für den Klimaschut­z, so die Berater. Der enorme Bedarf nach Sanierunge­n mit Dämmungen, Solardäche­rn und Wärmepumpe­n treibe die Branche langfristi­g an, sagte Björn Reineke, Partner bei EY-Parthenon. „Das Handwerk ist damit auf Jahre ausgelaste­t.“

Noch viele Aufträge

Laut Prognose dürfte das Volumen der erbrachten Bauleistun­gen bis 2024 preisberei­nigt im Schnitt um rund 1,8 Prozent pro Jahr wachsen. Voraussetz­ung sei, dass der Ukraine-Krieg nicht unerwartet drastisch durchschla­ge. Eine Rezession in Deutschlan­d könne das Bild ändern. Aktuell stießen Baufirmen an ihre Grenzen, berichtete Reinke. Die Reichweite abzuarbeit­ender Aufträge liege bei bis zu fünf Monaten.

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Dpa-BILD:Roessler Besonders Baustahl (im Bild eine Baustelle in Bingen) ist derzeit knapp.
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Dpa-BILD: Wüstneck
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