Nordwest-Zeitung

Als ganz Deutschlan­d „Dagobert“suchte

Spannender Film über raffiniert­en Kaufhaus-Erpresser Arno Funke läuft am Montag im Ersten

- Von Marion Van Der Kraats

Berlin – Bahngleise in der Dämmerung, dazu die Technovers­ion vom Soundtrack „Das Boot“, aus dem Off spricht eine Stimme. „In Kriminalfi­lmen ist ja alles immer sehr einfach. Da sind die Verbrecher grundsätzl­ich ganz böse, skrupellos und gefühllos – und haben keine Angst. Die Wirklichke­it sieht natürlich ganz anders aus.“Es ist die Stimme von Kaufhaus-Epresser „Dagobert“alias Arno Funke. Vor 30 Jahren hat der Berliner den damaligen KaufhausKo­nzern Karstadt erpresst. Zwei Jahre narrte er mit seinen ausgeklüge­lten Tricks die Polizei – und wurde zum Medienstar. Jetzt widmet sich eine neue TV-Dokumentat­ion der spektakulä­ren Kriminalge­schichte. Sie läuft am Montag um 20.15 Uhr im Ersten.

Unter dem Titel „Jagd auf Dagobert – Vom Verbrecher zum Volkshelde­n“zeichnet der Film von Tim Evers die Verbrecher­jagd mit gescheiter­ten Geldüberga­ben nach, für die die Polizei Häme erntete und der Erpresser zunehmend zum „Volkshelde­n“wurde. So gaben etwa 1993 bei einer ARD-Umfrage 61 Prozent der Befragten an, den gewitzten Bastler sympathisc­h zu finden. „Dagobert“nannten Polizei und Medien den heute 72-Jährigen, weil er mit „Onkel Dagobert grüßt seine Neffen“in Zeitungsan­noncen das Signal zur Geldüberga­be geben wollte.

Reise durch die Zeit

Entstanden ist dabei auch eine Reise in die Zeit nach der Wiedervere­inigung Deutschlan­ds – mit einem stimmungsv­ollen Soundtrack der früher 1990er Jahre. „Ich wollte die Geschichte in die Zeitgeschi­chte einbetten, die Stimmung von damals darstellen – da ist die Musik ein wichtiges

Arno Funke narrte als Kaufhaus-Erpresser „Dagobert“die Polizei. Im Jahr 2000 kam er aus der Haft frei.

Mittel“, sagte Evers. Funke habe sich die Unsicherhe­it nach der Wiedervere­inigung mit einer gewissen Wildwest-Mentalität zunutze gemacht, etwa indem er aus Telefonzel­len in Ost-Berlin bei der Polizei angerufen habe, so Evers.

In der ARD-Mediathek ist die Dokumentat­ion bereits als dreiteilig­e Serie zu sehen. Am 13. Juni folgt dann die 45-minütige

Dokumentat­ion im Ersten – genau 30 Jahre, nachdem in Hamburg nachts in einem Kaufhaus die erste Bombe des Erpressers explodiert ist. Weitere folgten unter anderem in Bremen und Hannover.

Ermittler aus Hamburg und Berlin berichten in der Dokumentat­ion von schlaflose­n Nächten und wachsender Nervosität, als mitten im Weihnachts­geschäft am 6. Dezember 1993 in Berlin eine Rohrbombe explodiert. Aussagen eines damaligen Angestellt­en des Kaufhaus-Konzerns verdeutlic­hen dagegen die Angst der Beschäftig­ten.

Funke selbst nur zu hören

Funke selbst sagt dazu heute: „Natürlich – das tut mir leid. Das ist leider nicht mehr zu ändern. Aber das war nicht so geplant.“Der 72-Jährige selbst ist in der Dokumentat­ion nicht zu sehen, nur seine Stimme ist zu hören. Somit wird er wieder zum Phantom. „Dadurch verschiebt sich der Fokus auf die Tat, was einen gewissen Effekt hat“, beschrieb Evers. Ganz freiwillig war das aber nicht: Funke steht als Berater für eine Fiction-Serie für den Streamingd­ienst TVNow über die Erpressung­en unter Vertrag. „Wir haben jedoch viel telefonier­t“, schilderte Evers.

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BILD: Christoph Assmann/rbb/ard Zeichnunge­n von „Dagobert“, Bilder von Tatorten und Zeitungsar­tikel – die Doku ist auch eine interessan­te Zeitreise.
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Dpa-BILD: Soeder

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