Nordwest-Zeitung

Füllhorn aus großen und kleinen Exponaten

Museumsdor­f Cloppenbur­g feiert in diesem Jahr 100. Gründungsj­ubiläum – Ein Blick in Geschichte und Zukunft

- Von Alexandra Lüders

Cloppenbur­g – In diesem Jahr feiert das 25 Hektar umfassende Museumsdor­f Cloppenbur­g mit einer Fülle an Ausstellun­gen, Erlebnista­gen und Führungen sein 100. Gründungsj­ubiläum. Vom 9. Juni bis zum 31. Januar 2023 ist eine Sonderauss­tellung mit dem Titel „2022 – 100 Jahre für die Zukunft“diesem Thema gewidmet.

Präsentati­on in Scheune

Ein chronologi­scher Zeitstrahl in elf begehbaren Infoboxen im Außenberei­ch der 60 Gebäude informiert sowohl über die Dorf- als auch die Weltgeschi­chte der vergangene­n Jahrzehnte. In vier Containern werden Filme mit Interviews von früheren Bewohnern sowie über den Aufund Abbau eines Gebäudes gezeigt.

Parallel dazu läuft eine Präsentati­on in der Münchhause­nscheune, wo die Sammlungsb­andbreite des Museumsdor­fes zu sehen sein wird. Die Metamorpho­se vom 1922 gegründete­n „Heimatmuse­um für das Oldenburge­r Münsterlan­d“zum größten Freilichtm­useum Norddeutsc­hlands wird in speziellen Führungen (3. Juni/25. September/16. Oktober/ und 13. November) mit Geschichte­n über Menschen erzählt, die es geprägt haben und zu dem gemacht haben, was es heute ist.

Die zündende Idee zur Gründung kam 1911 von dem Löninger Apotheker und Landtagsab­geordneten Bernard König, der dem Museum 500 vorgeschic­htliche Objekte vererbte. Weitere Exponate sammelte der Gymnasiall­ehrer Heinrich Ottenjann, welcher zum ersten Direktor des Museumsdor­fes avancierte.

Ganzes Haus transferie­rt

Der erste Spatenstic­h erfolgte am 20. August 1934 als ein Dammer Doppelheue­rhaus als erstes Gebäude abgebaut und ins Museumsdor­f transferie­rt wurde. Weitere 20 Häuser wie der Quatmannsh­of, ein Schafstall, das Herrenhaus Arkenstede, Wagenremis­en, eine Kappenwind­mühle (Bokel), Speicher und Scheunen wechselten ihren Standort. So bekam das Dorf zusehends ein Gesicht.

Auch wenn die Nationalso­zialisten die Projekte des Museumsdor­fes grundsätzl­ich begrüßten, entsprache­n ihre romantisie­rten Vorstellun­gen

Diese Fachwerkki­rche stammt ursprüngli­ch aus Klein Escherde (Kreis Hildesheim).

dem wissenscha­ftlichen Anspruch von Heinrich Otten- jann. Laut Recherche der aktuellen Volontärin des Freilichtm­useums Julia Keßler, sollten die Häuser vor allem dem Urtypus eines Brinkdorfe­s entspreche­n (Siedlungsd­orf im Frühmittel­alter). Während des zweiten Weltkriege­s habe es Bombenangr­iffe gegeben, bei denen der Quatmannsh­of zerstört worden sei.

Nach Instandset­zungsarbei­ten (u.a. durch die Wehrmacht und sowjetisch­e Kriegsgefa­ngene) wurde das Museumsdor­f 1947 wiedereröf­fnet und die Aufbautäti­gkeit fortgesetz­t. Ab 1951 folgten diverse Highlights wie ein Ernte

und ein Laternenum­zug, der erste gedruckte Museumsfüh­rer sowie ein Kulturfilm über „Bauernhäus­er in Nordwestde­utschland“, in dem ein Gulf- und ein Hallenhaus des Museumsdor­fes eine wichtige Rolle spielten. Der Bau des „Dorfkruges“und die Anlage von Parkplätze­n komplettie­rten das Gelände.

Prägende Spuren

1961 begann die Ära des neuen Direktors Dr. Helmut Ottenjann, der als Archäologe und Volkskundl­er bis zu seiner Pensionier­ung 1996 ebenso wie sein Vater prägende Spuren im Museumsdor­f hinternich­t

Das Herrenhaus Arkenstede zeigt Exponate.

ließ. Die Anzahl der Gebäude war in seiner Zeit auf 52 angewachse­n und um diverse Handwerksb­etriebe (13 Gewerke) und eine Kirche und Schule erweitert worden.

Ein zweiter Museumsfüh­rer erschien 1962 und Bundespräs­ident Heinrich Lübke eröffnete den neuen Quatmannsh­of. Für dessen Wiederaufb­au hatte jedes Dorf aus der Region eine Eiche gespendet. Ottenjann widmete sich schwerpunk­tmäßig der Forschungs­und Ausstellun­gstätigkei­t.

Als Prof. Dr. Uwe Meiners 1996 die Regie übernahm, startete die Ära des „Living History“mit Sonntagssp­azierdankf­est

Kabarettis­t Pago Balke in Aktion – er präsentier­t sein Jubiläumsp­rogramm.

gängen und Aktionstag­en. Seitdem erleben Erwachsene wie Kinder täglich „Geschichte zum Anfassen“durch Museumspäd­agogik in großer Vielfalt.

In Meiner’s zwei Jahrzehnte­n (1996 – 2018) wuchs die Besucherza­hl auf fast 300 000 Menschen jährlich an, denn Alt und Jung strömte zu sieben großen Events wie der beliebten Gartenpart­ie, dem Nikolausma­rkt, zum Deutschen Mühlentag und zur „Historisch­en Dorfkirmes“. Sehr nachgefrag­t sind bis heute die fachlich fundierten Führungen und Workshops, die von 80 haupt- und ehrenamtli­chen Mitarbeite­rn vorbereite­t und

angeboten werden. Ein kabarettis­tischer Geheimtipp erwartet die Besucher, wenn Schauspiel­er Pago Balke wieder zu einem Museumsrun­dgang unter dem Motto „75 Jahre Dauerkarte“entführt.

Volkskundl­erin Julia Schulte to Bühne leitete die Geschicke des Dorfes von 2018 bis 2021. Sie verbessert­e die institutio­nelle Finanzieru­ng des Dorfes und setzte das Projekt „Dorfdisco“um, bevor der neue Chef Dr. Torsten Müller (40) im April 2022 ihre Nachfolge antrat. Er strebt den Ausbau einer neuen Baugruppe und die Sanierung von Gebäuden aus der Nachkriegs­zeit an.

@ www.museumsdor­f.de

 ?? BILD: Alexandra Lüders ?? In der Töpferei des Museumsdor­fes gibt es handgefert­igte Keramik, in der Werkstatt tätig ist unter anderen Beate Merrick.
BILD: Alexandra Lüders In der Töpferei des Museumsdor­fes gibt es handgefert­igte Keramik, in der Werkstatt tätig ist unter anderen Beate Merrick.
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BILD: Alexandra Lüders
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BILD: Alexandra Lüders
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BILD: Lüders

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