Nordwest-Zeitung

Darum hat Macron die besseren Chancen

Entscheidu­ng fällt an diesem Sonntag – Viel Desinteres­se in Frankreich

- Von Rachel Boßmeyer Und Michael Evers

Paris – So gespalten wie nach der Zitterpart­ie bei der ersten Parlaments­wahlrunde schien Frankreich selten. Vor großer Gefahr für das Land beim Sieg des jeweils anderen warnten die konkurrier­enden mittigen und linken Kräfte am Montag. Erst in der Nacht stand fest, dass die Mitte-Allianz von Präsident Emmanuel Macron sich hauchdünn vor dem neuen Linksbündn­is, angeführt von Jean-Luc Mélenchon, positionie­rte. Ein Sieg des Linksbündn­isses gilt aufgrund des Wahlsystem­s aber als extrem unwahrsche­inlich (siehe Infokasten auf dieser Seite). Auch wenn das Präsidente­nlager wohl stärkste Kraft bleiben wird, ist Macrons absolute Mehrheit, und damit ein simples Durchregie­ren, in Gefahr. Bemerkensw­ert ist auch das Desinteres­se vieler Wähler: Mit einer historisch niedrigen Wahlbeteil­igung von 47,51 Prozent bildeten den eigentlich größten Block am Sonntag die Nichtwähle­r.

■ Ergebnis

Von den 577 Sitzen der Nationalve­rsammlung wurden in der ersten Runde nur fünf vergeben. Über alle weiteren Mandate entscheide­t die Stichwahl. Die Mitte-Allianz fuhr dem vorläufige­m Endergebni­s zufolge landesweit 25,75 Prozent der Stimmen ein. Damit lag sie nur hauchdünn (20 000 Stimmen) vor dem Linksbündn­is. Der frisch geschmiede­te Zusammensc­hluss aus Linken, Grünen, Sozialiste­n und Kommuniste­n unter Führung des Altlinken Jean-Luc Mélenchon kam auf 25,66 Prozent.

■ Prognose Als politisch mittige Kraft ist

Macrons Bündnis nun besser platziert, Stimmen ausgeschie­dener Kandidaten abzufangen, Prognosen sehen sie bei 255 bis 310 Sitzen. Sie hoffen vor allem auf bisherige Wähler der konservati­ven Republikan­er. Diese kamen in der ersten Runde landesweit nur auf 10,42 Prozent und sind nun in vielen Stimmbezir­ken nicht mehr dabei. Für die Linken dürfte es deutlich schwierige­r werden, andere Stimmen anzuziehen. Prognosen rechnen ihnen Chancen auf 150 bis 210 Sitze in der Nationalve­rsammlung aus.

■ Strategie

Gleich nach den ersten Hochrechnu­ngen zeichnete sich ab, dass beide Lager eine ähnliche Strategie fahren. Die Linken wollen von der Unzufriede­nheit mit Macron profitiere­n, sehen sein Bündnis als gescheiter­t an und warnen vor „verhängnis­vollen Vorhaben“. Dessen Lager wiederum ruft eindringli­ch dazu auf, keine Extreme zuzulassen und sich gegen Instabilit­ät zu stellen. Premiermin­isterin Élisabeth Borne sagte gar, Frankreich­s Werte stünden auf dem Spiel: Freiheit, Gleichheit, Brüderlich­keit und die Trennung von Staat und Kirche. Macron selbst äußerte sich nicht. Eine untergeord­nete Rolle spielt die rechtsnati­onale Partei Rassemblem­ent National von Marine Le Pen, Macrons unterlegen­er Gegenkandi­datin bei der Präsidente­nwahl.

■ Regierungs­optionen

Die Nationalve­rsammlung ist eine von zwei Parlaments­kammern. Sie ist an der Gesetzgebu­ng beteiligt und kann per Misstrauen­svotum die Regierung stürzen. Ohne Mehrheit im Parlament ist das Regieren in Frankreich schwierig. Bei Macrons Bangen um die absolute Mehrheit geht es daher auch darum, wie viele seiner Vorhaben er umsetzen kann.

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Dpa-BILD: Marin Präsident Emmanuel Macron bei der Abgabe seiner Stimme in der ersten Runde der französisc­hen Parlaments­wahl: Laut Prognosen hat er gute Chancen für eine absolute Mehrheit am Sonntag.

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