Schulklassen sollen öfter in die Synagogen
Warum Landesbeauftragter Enste mehr Präventionsarbeit gegen Judenfeindlichkeit will
Hannover – Der traurige Trend hält an: 253 Ermittlungsverfahren wegen antisemitischer Bestrebungen haben die niedersächsischen Staatsanwaltschaften im Vorjahr eingeleitet. 2020 lag die Zahl noch bei 180, wie Justizministerin Barbara Havliza (CDU) am Montag in Hannover berichtete. Auch bei Fällen von Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sei eine steigende Tendenz zu verzeichnen. Judenfeindlichkeit scheine immer weniger ein Tabu zu sein, meinte Havliza.
Tarnkappen-Antisemiten
Bei der Vorlage des Jahresberichtes zum Jüdischen Leben in Niedersachsen warnte Franz Rainer Enste, Landesbeauftragter gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens, von einem „Tarnkappen-Antisemitismus“, der nur schwer zu erkennen sei. Dazu zählte Enste Sticker wie „Impfen macht frei“oder die missbräuchliche Verwendung des Namens „Rothschild“. In dem 122 Seiten starken Bericht wird auch ein Fall
aus dem Ostfriesischen Landesmuseum Emden erwähnt, wo der Aufdruck „Judenmöbel“verändert wurde.
Enste mahnte größere Anstrengungen bei der Präventionsarbeit an. Wenn es gelinge, in kurzer Zeit 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitzustellen, müsse es auch möglich sein, Kitas, Horte und Schulen besser auszustatten. Es müsse eine neue Empathiekompetenz geschaffen werden,
regte Enste verstärkt Besuche in Gedenkstätten an.
Geld für mehr Sicherheit
Michael Fürst, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden, wies auf fehlende Kräfte zur Betreuung von Schulbesuchen in der KZGedenkstätte Bergen-Belsen (Kreis Celle) hin. Hier müsse das zuständige Kultusministerium nachsteuern. Eine Sprecherin
der Gedenkstätte bestätigte, es gebe mehr Anfragen als man bedienen könne. Vor der Pandemie gab es 1200 Gruppenführungen pro Jahr.
Rebecca Seidler vom Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden, kritisierte dass erst jetzt – zweieinhalb Jahre nach dem Attentat auf die Synagoge in Halle – die vom Land zugesagten 5 Millionen Euro zur Verfügung stehen, um notwendige Sicherheitsmaßnahmen
in den niedersächsischen jüdischen Gemeinden durchführen zu können. Angesichts der gestiegenen Rohstoffpreise reiche das Geld aber inzwischen nicht mehr aus. Seidler wünschte sich, dass die Schulen die Erinnerung an den Holocaust mit einem Synagogenbesuch verknüpfen. Die Schüler sollten sich nicht nur mit Toten, sondern mit der Vielfalt jüdischen Lebens heute beschäftigen.