Wenn Taschenmonster Geldsegen versprechen
Sammelkarten des Pokémon-Spiels verkaufen sich seit Pandemiebeginn auch in Oldenburg erstaunlich gut
Oldenburg – Ein Tränchen rinnt dem kleinen Jungen übers Gesicht, als er vor der Waschmaschine sitzt und eine Glumanda-Karte vorbeischwimmen sieht. Der Kartenstapel voller Pokémon, den er in der Hosentasche vergessen hatte, war im Jahr 2002 sein wertvollster Besitz. In seinem kindlichen Leichtsinn konnte der Junge ja nicht ahnen, dass jede seiner Karten im Erwachsenenalter immer noch ein Schatz ist. Das abgerockte Kleinstein, Glumanda und Pikachu waren nach dem Waschgang keinen Heller mehr wert. Gut dem, der seine Karten damals sorgsam behandelt und geschützt hat – der könnte sich heute unter Umständen über ein dickes Plus auf dem Konto freuen.
40 000 Euro für Karte
Pokémon-Karten sind im Zuge der Corona-Pandemie wieder ins Scheinwerferlicht gerückt. „Sie haben unser Geschäft über die Pandemie gerettet“, erzählt Ulf Pigors, der in der Oldenburger Innenstadt den Hobbyladen „Itemstar“betreibt. Sein Geschäft ist in Oldenburg das größte, wenn es um Trading-Card-Games (TGC) geht, wie das Hobby in Fachkreisen genannt wird. Neben Pokémon seien die Spiele „YuGiOh“und „Magic: The Gathering“die anderen beiden Platzhirsche auf dem Markt. Vor allem alte Karten, aber auch neuere, sind mitunter Tausende Euro wert. Ganze Karten-Boxen aus der Anfangszeit von Pokémon, die bis heute originalverpackt sind, sind noch viel teurer. Eine deutsche Glurak-Karte der ersten Edition aus dem Jahr 1999 wurde zuletzt Anfang Mai für knapp 40.000 Euro bei eBay ersteigert. Eine etwas jüngere, aber nicht weniger nachgefragte Karte, „Nachtara“mit Goldstar-Seltenheitsrang, wurde auf der Plattform Ende März für rund 5000 Euro verkauft.
Vor einem Jahr verzeichneten Läden Rekord-Umsätze. Auch Jan Maguna vom Oldenburger Spielegeschäft „Comic, Buch & Spiel“freut sich über den Hype: „Die YouTube-Szene hat die Leute dazu ermuntert. Angefangen bei Logan Paul. Der YouTuber aus den USA kaufte sich letztes Jahr Boxen der ersten Edition in Millionenhöhe und öffnete einige davon im Internet. Dabei sahen ebenfalls Millionen MenEigen.
Pokémon-Karten weckten bei Tausenden Menschen seit Beginn der Pandemie wieder die Sammelleidenschaft. Dadurch fühlen sie sich zurück in die Kindheit versetzt.
schen zu. Andere YouTuber sind auf den Zug aufgesprungen und öffneten Dutzende Booster-Päckchen vor laufender Kamera.“
Booster-Kauf
Das weckte bei Leuten, die Ende der 1990er-Jahre selbst Pokémon-Trainer waren, wieder die Sammellust. Somit gaben sie sich in den Läden die Klinke in die Hand und kauften
Stapelweise Boxen, Tins und lose Booster, in denen sich die Karten verbergen.
Das bedeutet aber nicht, dass man fünf Euro in ein Booster investiert und mit teureren Karten wieder raus geht – das ist nur selten der Fall. Die meisten Karten sind wenige Cent wert. Auch wenn YouTube den Anschein weckt und das große Glück verspricht, ist ein Investment in Pokémon-Karten nicht sehr
ratsam. Das ist die Meinung des YouTube-Stars Dario Hübler, besser bekannt als „Zero of Time“. Der Hamburger, mit Wurzeln bei Bremerhaven, verrät, dass Sammeln auch ordentlich ins Portemonnaie gehen kann. „Es gehört viel Glück dazu, seltene Karten zu ziehen. Außerdem muss man für entsprechende Booster extrem viel Geld bezahlen.“Hübler nennt den größten deutschen TCG-Kanal sein
In einem seiner letzten Videos erzählt er, dass er selbst die bereits erwähnte Nachtara-Karte ziehen möchte. Dafür gab er schon Geld für die Booster aus, die den Wert der Karte längst übersteigen. „Auch deshalb habe ich das Format ,Cash-Back‘ ins Leben gerufen. Es geht mir darum, den Leuten zu vermitteln, dass Booster-Öffnen Spaß macht und ein schönes Hobby ist, in den meisten Fällen aber ein Verlustgeschäft ist.“
Karten auf Heuboden
Der Hype der PokémonKarten ist mittlerweile abgeflacht. „Komplett eingeschlafen, könnte man sagen“, behauptet Händler Ulf Pigors. Trotzdem verkaufen sich die Karten immer noch gut. „Zu unseren Stammkunden zählen vor allem Eltern und Großeltern, die wir beraten, was das Richtige für ihre Kinder ist. Nicht selten bekommen wir auch Sammlungen und Dachbodenfunde angeboten, die wir aufkaufen. Erst letztens von einem Landwirt, der auf seinem Heuboden gut erhaltene Karten der ersten Editionen gefunden hat – glücklicher Fund, kann man da nur sagen.“