Nordwest-Zeitung

Urteil: Judenfeind­liche Schmähplas­tik darf bleiben

Streit um Sandsteinr­elief an der Wittenberg­er Stadtkirch­e – BGH urteilt, Fall geht weiter

- Von Christine Süß-Demuth

Karlsruhe/Wittenberg – Die judenfeind­liche Schmäh-plastik aus dem Mittelalte­r darf weiter an der Stadtkirch­e der Lutherstad­t Wittenberg bleiben. Der Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe wies am Dienstag die Klage gegen das vorinstanz­liche Urteil des Oberlandes­gerichtes Naumburg ab (Az.: VI ZR 172/20).

Der Kläger, Mitglied einer jüdischen Gemeinde, hatte die Abnahme des Sandsteinr­eliefs aus dem 13. Jahrhunder­t verlangt, weil er dadurch das Judentum und sich selbst diffamiert sieht. Im Judentum löste das Urteil ein geteiltes Echo aus.

Der Vorsitzend­e Richter Stephan Seiters des VI. Zivil

Die als „Judensau“bezeichnet­e Schmähplas­tik an der Stadtkirch­e darf laut BGH bleiben.

sagte zur Begründung, der Kläger könne nicht die Entfernung verlangen, weil es an einer „gegenwärti­gen Rechtsverl­etzung“fehle. Iso

liert betrachtet verhöhne und verunglimp­fe das Relief das Judentum als Ganzes, räumte das Gericht ein. Die Beklagte habe den ursprüngli­ch rechtssena­ts verletzend­en Zustand jedoch dadurch beseitigt, dass sie 1988 unter dem Relief eine nicht zu übersehend­e Bodenplatt­e enthüllte und in unmittelba­rer Nähe dazu einen Schrägaufs­teller mit der Überschrif­t „Mahnmal“anbrachte, der den historisch­en Hintergrun­d des Reliefs erläutert.

Der Zentralrat der Juden bezeichnet­e den Beschluss als nachvollzi­ehbar, man habe sich jedoch eine „deutlicher­e Positionie­rung“des Bundesgeri­chtshofs gewünscht. Zentralrat­spräsident Josef Schuster erklärte am Dienstag in Berlin, die Kirche müsse sich klar zu ihrer Schuld bekennen und ihren jahrhunder­telangen Antijudais­mus verurteile­n.

Nach der Entscheidu­ng des BGH müsse es der Kirchengem­einde überlassen bleiben, wie sie den „Störungszu­stand“beseitigt, fügte Schuster hinzu. Daher sehe er das Urteil als „klaren Auftrag“. Sowohl die Wittenberg­er Kirchengem­einde als auch die Kirchen insgesamt müssten eine klare und angemessen­e Lösung für den Umgang mit judenfeind­lichen Plastiken finden.

Das Relief aus dem Jahr 1290 zeigt in vier Metern Höhe eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen trinken, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Im Judentum gilt ein Schwein als unrein. Die „Judensau“gehört deshalb nach Ansicht des Klägers, einem Mitglied der jüdischen Gemeinde, in ein Museum.

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Dpa-BILD: Schmidt

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