Urteil: Judenfeindliche Schmähplastik darf bleiben
Streit um Sandsteinrelief an der Wittenberger Stadtkirche – BGH urteilt, Fall geht weiter
Karlsruhe/Wittenberg – Die judenfeindliche Schmäh-plastik aus dem Mittelalter darf weiter an der Stadtkirche der Lutherstadt Wittenberg bleiben. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe wies am Dienstag die Klage gegen das vorinstanzliche Urteil des Oberlandesgerichtes Naumburg ab (Az.: VI ZR 172/20).
Der Kläger, Mitglied einer jüdischen Gemeinde, hatte die Abnahme des Sandsteinreliefs aus dem 13. Jahrhundert verlangt, weil er dadurch das Judentum und sich selbst diffamiert sieht. Im Judentum löste das Urteil ein geteiltes Echo aus.
Der Vorsitzende Richter Stephan Seiters des VI. Zivil
Die als „Judensau“bezeichnete Schmähplastik an der Stadtkirche darf laut BGH bleiben.
sagte zur Begründung, der Kläger könne nicht die Entfernung verlangen, weil es an einer „gegenwärtigen Rechtsverletzung“fehle. Iso
liert betrachtet verhöhne und verunglimpfe das Relief das Judentum als Ganzes, räumte das Gericht ein. Die Beklagte habe den ursprünglich rechtssenats verletzenden Zustand jedoch dadurch beseitigt, dass sie 1988 unter dem Relief eine nicht zu übersehende Bodenplatte enthüllte und in unmittelbarer Nähe dazu einen Schrägaufsteller mit der Überschrift „Mahnmal“anbrachte, der den historischen Hintergrund des Reliefs erläutert.
Der Zentralrat der Juden bezeichnete den Beschluss als nachvollziehbar, man habe sich jedoch eine „deutlichere Positionierung“des Bundesgerichtshofs gewünscht. Zentralratspräsident Josef Schuster erklärte am Dienstag in Berlin, die Kirche müsse sich klar zu ihrer Schuld bekennen und ihren jahrhundertelangen Antijudaismus verurteilen.
Nach der Entscheidung des BGH müsse es der Kirchengemeinde überlassen bleiben, wie sie den „Störungszustand“beseitigt, fügte Schuster hinzu. Daher sehe er das Urteil als „klaren Auftrag“. Sowohl die Wittenberger Kirchengemeinde als auch die Kirchen insgesamt müssten eine klare und angemessene Lösung für den Umgang mit judenfeindlichen Plastiken finden.
Das Relief aus dem Jahr 1290 zeigt in vier Metern Höhe eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen trinken, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Im Judentum gilt ein Schwein als unrein. Die „Judensau“gehört deshalb nach Ansicht des Klägers, einem Mitglied der jüdischen Gemeinde, in ein Museum.