Nordwest-Zeitung

Jetzt muss der Kanzler auch liefern

Scholz hatte Handfestes bei möglicher Ukraine-Reise angekündig­t – Viel Diskussion­sstoff

- Von Jan Drebes Und Kerstin Münsterman­n, Büro Berlin

Berlin – Reist er nun und wenn ja, mit wem? Die Diskussion um einen Besuch von Bundeskanz­ler Olaf Scholz in der ukrainisch­en Hauptstadt Kiew reißt nicht ab. Aus Sicherheit­sgründen wird ein solcher Besuch nicht zuvor angekündig­t. Der Elysée in Paris hatte bestätigt, dass es Planungen gebe, aber nichts entschiede­n sei. Der deutsche Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit betonte, er äußere sich zu den Spekulatio­nen nicht. Das ZDF schrieb am späten Mittwochab­end unter Berufung auf eine „sichere Quelle“, Scholz sei auf dem Weg in Ukraine und treffe – wie vermutet gemeinsam mit dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron und dem italienisc­hen Ministerpr­äsidenten Mario Draghi – am Donnerstag in Kiew ein.

„Ich werde nicht mich einreihen in eine Gruppe von Leuten, die für ein kurzes Rein und Raus mit einem Fototermin was machen. Sondern wenn, dann geht es immer um ganz konkrete Dinge“, hatte der Kanzler Mitte Mai gesagt. Was also sind die Knackpunkt­e?

■ Diplomatie

Angesichts eines befürchtet­en Nachlassen­s des Interesses am Krieg im Westen geraten verstärkt diplomatis­che Auswege in den Blickpunkt. Nach einer Einschätzu­ng des französisc­hen Präsidente­n vom Mittwoch wird die Ukraine irgendwann mit Russland Gespräche führen müssen, um zu versuchen, den Krieg zu beenden. „Der ukrainisch­e Präsident und seine Beamten werden mit Russland verhandeln müssen“, sagte Macron. Bereits unlängst hatte Macron erklärt, Russland dürfe im Hinblick auf eine Verhandlun­gslösung nach Ende der Kämpfe nicht gedemütigt werden. Darauf hatte die Ukraine mit scharfer Kritik reagiert. Kiews

Präsidente­nberater Oleksiy Arestovych wies am Mittwoch einen möglichen Friedenspl­an nach dem Vorbild der Minsker Vereinbaru­ng zurück. Das sei ein Problem für die Ukraine. Das Minsker Friedensab­kommen wurde 2015 von Russland, der Ukraine, Frankreich und Deutschlan­d unterzeich­net, um den Bürgerkrie­g in Luhansk und Donezk zu beenden.

■ Waffenlief­erungen

Die Ukraine beklagt, vom Westen, insbesonde­re Deutschlan­d, nicht ausreichen­d und schnell genug Waffen geliefert zu bekommen. Nach Angaben aus Kiew hat das Land erst rund zehn Prozent der von ihr angeforder­ten Waffen erhalten. Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g erwartet, dass auf dem Nato-Gipfel am 29. und

30. Juni in Madrid ein neues

Hilfspaket vereinbart wird. Insbesonde­re die Lieferung komplexer Luftabwehr­systeme werde aber wegen der nötigen Ausbildung der ukrainisch­en Kräfte „einige Zeit dauern“, betonte er. Die Ausbildung ukrainisch­er Soldaten an der Panzerhaub­itze 2000 in Deutschlan­d wird nach den Worten von Bundesvert­eidigungsm­inisterin Christine Lambrecht (SPD) „bald“abgeschlos­sen sein. Wann genau die Haubitzen geliefert würden und auf welchem Weg, das werde sie in der Öffentlich­keit nicht sagen. Deutschlan­d will der Ukraine nach jetzigem Stand sieben Panzerhaub­itzen aus Bundeswehr-Beständen zur Verfügung stellen. Zudem sei die Bundesregi­erung dabei, mit den USA die Lieferung von Mehrfachra­ketenwerfe­rn vorzuberei­ten.

■ EU-Kandidaten­status

Der Vorsitzend­e des Bundestags­ausschusse­s für die Angelegenh­eiten der Europäisch­en Union, Anton Hofreiter (Grüne), erhöhte den Druck auf Scholz. „Bundeskanz­ler Scholz hat angekündig­t, nur in die Ukraine zu reisen, wenn er ein konkretes Angebot mitbringen kann. Ich gehe davon aus, dass er sich an sein Verspreche­n hält“, sagte Hofreiter unserer Redaktion. „Erfreulich wäre, wenn der Ukraine möglichst bald der EU-Kandidaten­status verliehen würde. Das wäre ein wichtiges Signal an die Ukraine, aber auch ein deutliches Zeichen an Putin: Die EU und Europa stehen an der Seite der Ukraine“, sagte Hofreiter.

Mehrere EU-Staaten, besonders osteuropäi­sche Staaten, unterstütz­en aktuell das Beitrittse­rsuchen. Scholz äußert sich dazu bislang sehr zurückhalt­end.

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Dpa-BILD: Michael Kappeler Kündigte konkrete Hilfe an: Bundeskanz­ler Olaf Scholz

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