Hasbruch: Zwischen Waldeslust und Waldesfrust
Brutvogelerfassung zeigt, dass Forstwirtschaft und Naturschutz Hand in Hand gehen müssen
Ganderkesee/Oldenburg – Es ist ein Juwel der Artenvielfalt, ein Kleinod der Ruhe, eine Brutstätte für gefährdete Vogelarten und ein Rückzugsort für verschiedene Fledermausarten: der Hasbruch im Landkreis Oldenburg mit seinen 1000-jährigen Eichen und uralten Buchen.
Und er ist zugleich Wirtschaftswald: Die Mitarbeiter des niedersächsischen Landesamtes für Forsten verjüngen beispielsweise den Baumbestand, um kontinuierlich Holz zu entnehmen. Sie schlagen dafür so genannte Lochhiebe. 28 solcher Parzellen existieren zurzeit im Hasbruch. Auch Totholz – ein gern genommenes Zuhause für Fledermäuse oder Spechte, um den Nachwuchs aufzuziehen – wird in bestimmten Waldarealen entfernt: der Hasbruch – 630 Hektar, auf denen sich Naturfreunde, Vogelkundler, Spaziergänger und Forstmitarbeiter arrangieren. Da passte der Vortrag von Tasso Schikore „Waldeslust und Waldesfrust im Hasbruch“im Landesmuseum für Natur und Mensch am Dienstag gut ins Bild. Zu diesem Wald-Spagat zwischen Wirtschafts- und Lebensraum eingeladen hatte die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Oldenburg anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens.
Was wurde erfasst
Die Basis bildeten die Ergebnisse und Erlebnisse einer Brutvogelerfassung, die Schikore mit Kollegen der Biologischen Station Osterholz im Auftrag des Landes in mehreren Tages- und Nachtbegehungen im März bis Juni 2021 bestimmt hatte. „Der Hasbruch ist ein Naturschutzgebiet, ein EU-Vogelschutzgebiet und Schutzgebiet gemäß FaunaFlora-Habitat-Richtlinie und genießt damit einen hohen nationalen und internationalen Naturschutzstatus – Waldeslust pur sozusagen“, so
Ihre Kooperation feierte Premiere (von links): Jörg Grützmann vom Nabu, Christina Barilaro vom Landesmuseum für Natur und Mensch sowie Redner und Biologe Tassilo Schikore.
Schikore. Die forstwirtschaftliche Nutzung hingegen komme diesem Schutzanspruch und den Bedürfnissen der zu schützenden Tier- und Pflanzenwelt nicht immer nach.
Wer verursacht die Waldeslust
Zu Schikores „Waldeslust“gehört der Mittelspecht mit seiner leuchtend roten Kopfplatte: „Er ist der Star im Hasbruch und eine wertbestimmende Art.“
Im Klartext: Der Vogel zählt zu
jenen Arten, die für die Identifizierung von EU-Vogelschutzgebieten von hervorgehobener Bedeutung sind. 168 Reviere bestimmten die Vogelexperten im Hasbruch.
Damit verfügt der Hasbruch über die höchste Mittelspechtdichte pro Hektar Fläche in Deutschland. Auch Buntspechte, Kleiber, Gimpel, Stieglitze, Waldkäuze, Dohlen, Stare, Trauer- und Grauschnäpper wurden gezählt. Nur vom stark gefährdeten Zwergschnäpper fehlte jede Spur. „2020 war noch einer da“, so Schikore.
Wer oder was sorgt für Waldesfrust
Neben den Vögeln offenbarte sich den Biologen eine bunte Säugetiervielfalt: Schikore geht von etwa zehn verschiedenen Fledermausarten aus. „Der Standarderfassungsbogen für den Hasbruch kennt aber nur eine Art!“, gibt er zu Bedenken.
Auch tauche der Grauspecht auf dem Bogen auf: „Das ist Unfug, im Hasbruch leben keine Grauspechte“, so Schikore. Deshalb plädiert er dafür, dass die überholten Standardbögen aktualisiert werden, um für die vorhandenen Arten bessere Bedingungen zu schaffen.
Gibt es Möglichkeiten, den Waldesfrust aufzuhalten
Schikore hält an diesem Abend eine konkrete Liste parat, wie sich der Waldfrust nicht weiter ausbreitet: „Eine erhebliche Vergrößerung des ,Urwald’-Anteils wäre wünschenswert.“Aktuell liegt der bei nur 6 Prozent der Fläche.
Auch auf weitere Lochhiebe sollte verzichtet, die forstwirtschaftliche Nutzung auf Jungund Nadelbestände beschränkt und das Wegekonzept durch Aufheben bestimmter Wege beruhigt werden. „Wichtig ist auch ein generelles Fahrverbot in feuchten Nächten, um die Salamander zu schützen“, so Schikore. Er sei beispielsweise von den vielen Feuersalamander überrascht gewesen.
Ob und welche dieser Vorschläge umgesetzt werden, bleibt offen – und war nicht Bestandteil der Erfassung. Trotzdem hofft Tassilo Schikore, dass am Ende das Land aufmerksam wird, um die Zukunft des uralten Waldbestandes zu sichern.