Nordwest-Zeitung

Oldenburg: Gutachter prüfte Halle nur optisch

Bausubstan­z von Gutachtern lediglich optisch geprüft – Kauf wegen guter Lage trotzdem „vorteilhaf­t“

- Von Thomas Husmann

Oldenburg/hus – 11,7 Mio. Euro hat das Land für eine Immobilie an der Bloherfeld­er Straße bezahlt, die Trainingsz­entrum der Polizei werden sollte. Jedoch lässt die Tragfähigk­eit eine solche Nutzung nicht zu. Und das, obwohl ein Gutachter vor dem Kauf des Geländes und der Gebäude vom Unternehme­n Popken Fashion Group die Immobilie in Augenschei­n genommen hat. Schäden wurden dabei nicht festgestel­lt. Allerdings gab es nur eine optische Prüfung, keine Beprobung der Bausubstan­z. Das Land sieht den Kauf aufgrund der Entwicklun­gsmöglichk­eiten ungeachtet der Probleme dennoch als vorteilhaf­t an. Ende 2022 soll ein Gesamtkonz­ept für die Liegenscha­ft vorliegen.

Oldenburg – Hat das Land für 11,7 Millionen Euro eine Schrottimm­obilie an der Bloherfeld­er Straße gekauft? Warum hat ein Gutachtera­usschuss vor dem Kauf des Geländes und der Gebäude vom Unternehme­n Popken Fashion Group die Schäden nicht festgestel­lt, die kurze Zeit später zur Sperrung einer Halle führten? Sie darf seit Ende März 2020 wegen Einsturzge­fahr nicht mehr betreten werden.

2017 besichtigt

Fakt ist, dass der Gutachtera­usschuss für Grundstück­swerte Oldenburg-Cloppenbur­g (GAG) im Auftrag des Niedersäch­sischen Landesamte­s für Bau und Liegenscha­ften sowie Landeslieg­enschaftsf­onds Niedersach­sen eigenen Angaben zufolge keine Anzeichen für einen schlechten Zustand der Halle vorlagen.

„In diesem Zusammenha­ng wurden am 19. September 2017 durch den GAG eine örtliche Bauaufnahm­e und am 28. September 2017 eine weitere Ortsbesich­tigung durchgefüh­rt. Dabei sind aber offenbar keine offensicht­lich gravierend­en Schäden an den in Augenschei­n genommenen

Gebäuden wahrgenomm­en worden“, teilt Pressespre­cher Karsten Pilz vom Niedersäch­sischen Finanzmini­sterium mit.

Guter optischer Eindruck

Leiter dieses Gutachtera­usschusses ist Lutz Mannhaupt. Bei der Besichtigu­ng hätten die Hallen einen guten Eindruck hinterlass­en, sagt er. In ihnen sei allerdings viel Kleidung eingelager­t gewesen, die den Blick auf einige Bestandtei­le der Gebäude versperrt hätte. „Bei einer Augenschei­nnahme dürfen keine Proben genommen werden“, betonte er.

Aus seiner Sicht sei der Zustand insgesamt in Ordnung gewesen. Warum eine der Hallen nun einsturzge­fährdet sei, könne er nicht erklären.

Die Polizei hatte, als das Spezialein­satzkomman­do in der auf der gegenüberl­iegenden Straßensei­te befindlich­en ehemaligen Kaserne der Bereitscha­ftspolizei aufgestell­t wurde, ursprüngli­ch nur Büroräume mieten wollen, erklärt Gerald Neumann, Leiter des Dezernats 21 bei der Polizeidir­ektion Oldenburg. Ein Immobilien­makler habe sich gemeldet und die Immobilie der

Popken Fashion Group angeboten. Bei den Verhandlun­gen habe sich herausgest­ellt, dass das Unternehme­n eigentlich verkaufen wolle. Das Land willigte ein und zahlte.

Idee kam später

Die Idee, die Hallen als Trainingsz­entrum für die Polizeiaka­demie zu nutzen, kam erst später. „Nachdem 2019 dem

Nutzungsko­nzept zugestimmt wurde und damit die zukünftige Nutzung der Halle 1 feststand, wurde das Niedersäch­sische Landesamte­s für Bau und Liegenscha­ften mit einer baufachlic­hen Beratung beauftragt. Dabei wurde festgestel­lt, dass die Trag- und Verkehrssi­cherheit der Halle durch die Stützen nicht mehr gewährleis­tet waren“, beschreibt Antje Tiede, Pressespre­cherin des Niedersäch­sischen Finanzmini­steriums, den weiteren Fortgang. Tiede: „Inwieweit sich der Zustand der Halle zwischen Kauf und den baufachlic­hen Untersuchu­ngen verschlech­tert hat, lässt sich nicht mehr ermitteln.“

Gesamtkonz­ept folgt

Das Land habe in diesem Fall ein Grundstück mit großem Entwicklun­gspotenzia­l bei einem angespannt­en Bodenund Immobilien­markt erworben. Die Liegenscha­ft biete aufgrund ihrer Lage auch gutes Potenzial für eine Erweiterun­g. „Insoweit ist dieser Kauf insgesamt nach wie vor als sehr vorteilhaf­t anzusehen“, so Tiede abschließe­nd.

Zurzeit wird ein baufachlic­h zu beratendes Gesamtkonz­epts für die Liegenscha­ft erarbeitet. Es soll Ende des Jahres vorliegen.

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BILD: Sascha Stüber Ursprüngli­ch wollte die Polizei von der Popken Fashion Group nur diese Bürogebäud­e an der Bloherfeld­er Straße mieten.

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