Wie Krisen die Globalisierung verändern
„Zeitenwende“Thema bei beliebter Gartenvorlesung – Lieferketten neu arrangiert
Oldenburg – Die aktuellen Krisen – Ukraine-Krieg, Corona, Inflation – verändern die Globalisierung, die in den vergangenen Jahrzehnten zu engen Verflechtungen und Abhängigkeiten geführt hat. Dies gilt gerade auch in Deutschland und in der Region. Das wurde am Donnerstagabend bei der Veranstaltungsreihe „1x1 der Wirtschaft“in Oldenburg deutlich. Der Titel der beliebten Gartenvorlesung mit Diskussionsrunde des Instituts für Ökonomische Bildung (IÖB) und der Wirtschaftsbildungsinitiative wigy e.V. lautete: „Zeitenwende in Europa und der Welt – Globalisierung auf dem Prüfstand!?“
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Der Unternehmer
Klar wurde: Die Veränderungen in den internationalen Verflechtungen von Unternehmen in der Region können aktuell ganz erheblich sein, wie Bernd Bröring, Geschäftsführer des Futtermittelherstellers Bröring aus Dinklage (Kreis Vechta), verdeutlichte. Bei den Rohstoffen, die man im Wesentlichen aus China bezogen habe, hätten sich „massive Probleme“ergeben. Die Produktion dort sei coronabedingt heruntergefahren worden. Dann habe man bei Bröring neu gewichtet: Statt auf Preis/Leistung werde nun stark auf Versorgungssicherheit geachtet. Der Bezug etwa von unbedingt nötigen Vitaminen, Spurenelementen und Aminosäuren sei nun auf zahlreiche Staaten in Asien
Beim „1x1 der Wirtschaft“in Oldenburg (von links): Holger Peinemann (Verein wigy), Ulrich Schönborn (Chefredakteur NWZ), Michael Koch (Institut IÖB), Dirk Gerlach (Bundesbank), Lars Stemmler (bremenports), Bernd Bröring (Bröring-Gruppe), Ernst Jünke (Verein pro:connect) und Arne Stemmann (Verein Wigy).
und auch auf die USA verteilt worden. Der Getreide-Bezug aus der Ukraine – per Bahn – sei eine weitere „große logistische Herausforderung“.
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Deutschland habe vom Globalisierungsprozess der vergangenen Jahrzehnte „enorm profitiert“, meinte Dr. Lars Stemmler. Der Infrastrukturmanager bei „bremenports“musste beim „1x1 der Wirtschaft“nun von einem Frachter-Stau in der Nordsee berichten, der vieles ins Stocken bringt. Er riet jedoch, dies nicht überzubewerten. Es gebe andere riesige Herausforderungen – wie den Deichbau um Bremen und die generelle Stärkung der Krisen-Resilienz.
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Der Hafenmanager
Verein pro:conncet
Und die Fachkräfte? Die bleiben knapp, wie es hieß.
Können geflüchtete Menschen Abhilfe schaffen? Ernst Jünke, Vorsitzender des Oldenburger Vereins pro:connect, der Flüchtlinge bei der Integration in Ausbildung unterstützt, mahnte vor übergroßen Erwartungen: Dies könne, obwohl es sehr starkes Engagement und schöne Integrationsgeschichten gebe, nur einen „schmalen Beitrag“leisten. Jünke rief dazu auf, sich intensiver um hiesige Jugendliche zu kümmern, die schon früh vom System „aussortiert“würden. Der einstige Berufsschul-Leiter, auch in der Entwicklungshilfe engagiert, riet dazu, verstärkt auf den Aufbau eigener Wertschöpfungsketten in Afrika zu setzen statt dort vieles zu importieren. Er erwartet mehr Hunger.
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Die Inflation
Groß war beim „1x1 der Wirtschaft“, das von IÖB-Geschäftsführer
Dr. Michael Koch anregend moderiert wurde, das Interesse am Thema Inflation. Auch dies hat tendenziell mit Globalisierung zu tun: Die EZB muss bei ihrer Geldpolitik auf einen „MultiLänder-Währungsraum“statt nur ein Staatsgebiet achten, erläuterte Bundesbank-Vertreter Dirk Gerlach. Wenn preistreibende Störeffekte nachließen, könne es Erleichterung bei der Teuerung geben – also sobald Lieferketten wieder funktionierten oder der Krieg in der Ukraine beendet werde.
Man solle sich mehr mit der Frage beschäftigen, wie dieser Krieg beendet werden könne. Und: „Was passiert nach dem Krieg?“, meinte Ulrich Schönborn, Chefredakteur der NWZ, die langjähriger Partner beim „1x1 der Wirtschaft“ist. Russland werde dann „noch da sein“und man werde mit dem Land irgendwie umgehen müssen.
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Die Zeitenwende
Eingangs hatte Arne Stemmann, Geschäftsführer bei wigy e.V, unterhaltsam und anschaulich die historische Entwicklung der Globalisierung skizziert – mit Meilensteinen wie dem Container. Die aktuelle „Zeitenwende“betreffe nicht nur die Außen- und Sicherheitspolitik. „Sie hat auch eine ökonomische Dimension“, sagte er mit Blick etwa auf die Sanktionen und die Energieversorgung.
Wigy-Vorsitzender Dr. Holger Peinemann (Institut Offis) und IÖB-Geschäftsführer Koch freuten sich über die Fortsetzung der Veranstaltungsreihe „1x1 der Wirtschaft“. Es sei bei den bereits 20 Gartenvorlesungen immer um ein aktuelles Thema gegangen, das mit Experten so aufbereitet wurde, dass die Gäste „etwas mitnehmen können“. Und so auch dieses Mal.