Nordwest-Zeitung

Schmaler Geldbeutel ist nicht der einzige Grund

Eltern kaufen getragene Kleidung für ihren Nachwuchs – Nachhaltig­keit und weniger Chemie spielen Rolle

- Von Katja Lüers

Oldenburg – „Für mich ist Secondhand-Kleidung einfach die gesündere Wahl“, sagt Linda Holz aus Oldenburg. Sie ist Mutter von zwei Kindern: der dreijährig­en Luna und dem drei Monate alten Max. Die Einstellun­g hat die 38-Jährige allerdings nicht immer so deutlich vertreten.

Nach der Geburt ihrer Tochter war alles neu: die Lebenssitu­ation, das Kinderzimm­er, die Spielsache­n, der Kinderwage­n „und irgendwie hatte ich da auch die Vorstellun­g, dass die Kleidung neu sein muss.“So landete eine neue Erstaussta­ttung im neu eingericht­eten Kinderzimm­er – und unzählige weitere zusätzlich­e neue Bodys, Strampler, Jäckchen und Höschen.

Drei Jahre später sieht sie ihr eigenes „Neu“-Verhalten kritischer: „Der wichtigste Vorteil von Secondhand-Kleidung ist für mich, dass sie weniger Schadstoff­e enthalten, denn in der Regel sind sie bereits herausgewa­schen.“

Deshalb trägt der kleine Max fast ausschließ­lich Secondhand-Kleidung. Dabei profitiert er von der schwesterl­ichen Erstaussta­ttung: „Die konnte ich für Luna ohnehin ja nur ein paar Wochen nutzen, bis sie Strampelan­zug und Pulli schon wieder entwachsen war.“Rückblicke­nd für sie eine ziemliche Verschwend­ung.

Ihr Kaufverhal­ten von Kinderklei­dung hat sie komplett umgestellt: „Ich kaufe fast alles Secondhand – bis auf Unterwäsch­e und Strumpfhos­en, weil die Bündchen oft ausgeleier­t sind.“Und bei Schuhen würde sie sehr genau hinschauen: „Die Größe muss passen und die Schuhe dürfen noch nicht viel getragen sein.“

Verschwend­ung

Veränderun­g

Sie sei immer wieder erstaunt, welche Kinder-Designer-Stücke nahezu ungenutzt in den Regalen der Secondhand-Lädie

Immer mehr Eltern kaufen zumindest für den Babynachwu­chs Secondhand-Kleidung. Ihre Gründe: weniger Chemie in den getragenen Stramplern und mehr Nachhaltig­keit.

den landen. „Da habe ich schon einige Schnäppche­n gemacht.“Auf diese Weise schone sie ihren Geldbeutel und die Umwelt: „Das gesparte Geld kann ich zurücklege­n“, fügt sie hinzu. Denn sie weiß

von Freundinne­n mit älteren Kindern: Je älter der Nachwuchs wird, umso schwierige­r wird es, gute gebrauchte Kleidung zu finden. „Außerdem entwickeln die Kinder zunehmend einen eigenen Geschmack,

das macht die Sache nicht leichter“, sagt sie.

Verdächtig

An diesem Tag hat sie Besuch von einer Freundin – ebenfalls

zweifache Mutter von einer Vierjährig­en und einem Zweijährig­en: „Wir erben sozusagen die Kleidung.“Ihre ältere Schwester gebe die Kleidung kistenweis­e an sie ab: „Da weiß ich dann sogar noch, wer

Hosen und Jacken vorher getragen hat.“

Aber auch sonst würde sie zusehen, Secondhand einzukaufe­n – auch für sich selbst: „Ich brauchte kürzlich für meine Tochter neue Leggings, die habe ich als Bioprodukt gekauft. Da war ich wieder überrascht, wie teuer zertifizie­rte Kinderklei­dung ist“, so die Mutter. Umso glückliche­r sei sie mit den „Erbstücken“ihrer Schwester.

Dass Eltern ihren Babynachwu­chs in Luxusmarke­n einkleiden, sieht die Mutter mehr als kritisch – unabhängig vom Einkommen: „Was will mir ein Elternteil damit sagen, dass er sein drei Monate altes Baby in einen neuen Versace-Strampler für 240 Euro steckt?“

Sie habe vor vielen Jahren in der Schule mit Begeisteru­ng die Novelle „Kleider machen Leute“gelesen, „aber man könnte den Eindruck gewinnen, dass manche Eltern meinen, Kleider machen auch Kinder!“

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Symbolbild: Archiv

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