Pandemie wirft Busverkehr weit zurück
Zahl der Fahrgäste gegenüber 2019 massiv eingebrochen – VWG hält an Wachstumsziel fest
Was man nicht im Kopf hat, muss man in den Beinen haben – den Satz hat Theobalds Kollege als Kind oft von seiner Oma zu hören bekommen. Immer dann, wenn er etwas vergessen hatte und nochmal zurücklaufen musste, um den betreffenden Gegenstand zu holen. Eigentlich hat er in den vielen Jahren, die seitdem vergangen sind, dazugelernt. Manchmal holt ihn die Vergesslichkeit aber wieder ein. So wie vor einigen Tagen, als der Akku seiner Kamera auf einmal leer war. Genauso wie der leere Ersatzakku. Das Foto konnte der Kollege aber trotzdem machen – mit seinem Smartphone. Einen Tag später, beide Akkus waren voll aufgeladen, der nächste Aussetzer des Kollegen, denn in seiner Kamera war keine Speicherkarte und ohne die gibt es keine Bilder. So musste der Redakteur schon wieder das Smartphone zücken und zum zweiten Mal in kurzer Zeit mit einem Lächeln an seine Oma denken, die schon lange nicht mehr lebt. Besserung von seinem Kollegen verspricht sich jetzt
theobald@NWZmedien.de
Oldenburg – Im Kampf gegen den Klimawandel spielen Busse und Bahnen eine entscheidende Rolle – bislang allerdings vor allem in der Theorie. In der Praxis ist von einer Verkehrswende – zumindest im städtischen Busverkehr – wenig zu spüren. Im Gegenteil: Die Fahrgastzahlen sind während der Corona-Pandemie dramatisch gesunken. Und sie berappeln sich auch aktuell nur mühsam, wie ein Blick auf die Entwicklung der vergangenen Monate zeigt.
14 statt 20 Millionen
Bei der Verkehr und Wasser GmbH (VWG), die den innerstädtischen Busverkehr in Oldenburg betreibt, blieb die Zahl der Passagiere 2021 mit 14,1 Millionen meilenweit unter dem bisherigen Höchstwert von 20,6 Millionen im letzten Vor-Corona-Jahr 2019. Für das laufende Jahr geht die VWG von über 17 Millionen Fahrgästen aus. „Es wird einige Jahre dauern, bis wir wieder die 20-Millionen-Marke überspringen“, schätzt VWG-Chef Michael Emschermann.
Sportliches Ziel
Ungeachtet der erdrutschartigen Einbrüche hält die städtische Tochtergesellschaft VWG an den ehrgeizigen Wachstumszielen fest. Bis zum Jahr 2030 soll die Zahl der Fahrgäste auf 30 Millionen steigen. Ein „sportliches Ziel“nennt die VWG-Spitze dieses Ziel. Verspätungen, wie sie verkehrsbedingt im Alltag der VWG verbreitet sind, dürften allerdings auch den Wachstumskurs verzögern.
Immerhin baut die VWG ihr Angebot in diesem Jahr weiter aus. Die Linie 323 von Krusenbusch über Hauptbahnhof und Ohmstede bis
Im Wartestand: Die VWG rechnet damit, dass die Passagierzahlen aus der Zeit vor Corona erst in einigen Jahren wieder erreicht werden. Unser Foto zeigt einen Blick in den Betriebshof.
Wahnbek verkehrt ab dem Fahrplanwechsel im Dezember häufiger.
Geplant ist ein 15-MinutenTakt bis Wahnbek. Dichter wird auch der Takt der Linie 302 zwischen Hauptbahnhof und Borchersweg, die vor allem zu Hauptverkehrszeiten derzeit voll ausgelastet ist. „Damit erleichtern wir nicht zuletzt Beschäftigten im Gewerbegebiet Tweelbäke, ihren Arbeitsplatz noch besser mit dem Bus zu erreichen“, erläutert VWG-Prokurist Morell Predoehl. Ebenfalls verdichtet wird der Takt der Linie 302 nach Krusenbusch.
Personal fehlt
Wem diese Verbesserungen im VWG-Angebot wenig ehrgeizig
erscheinen, muss sich mit den Herausforderungen beim Ausbau des Bus-Angebots befassen: Der Markt für Busfahrerinnen und Busfahrer ist leer gefegt. Schon vor Corona ist die VWG deshalb mit
einer eigenen Fahrschule in die Ausbildung eingestiegen. Zudem steigt der Zuschussbedarf durch engere Takte. „Der Kostendeckungsgrad für die Linien sinkt, das ist uns klar“, sagt Emschermann. Denn zumindest kurzfristig lassen sich die besseren Angebote nicht durch höhere Ticketeinnahmen ausgleichen.
Radverkehr ausgeschöpft
Womit der VWG-Chef einen grundsätzlichen Punkt anspricht. „Die politisch gesetzte Verkehrswende sowie die Klimaziele im Bereich von Bussen und Bahnen erfordern umfassende Investitionen.“Ohne eine stärkere finanzielle Förderung ließen sich die Pläne nicht verwirklichen.
Emschermann hat nicht allein die Stadt Oldenburg im Blick. Einen starken Hebel für den Umstieg vom Auto auf den Bus sieht der Verkehrsexperte in einer attraktiveren Anbindung des Oldenburger Umlands. „Das Oberzentrum Oldenburg zieht einen gewaltigen Pendelverkehr an.“Es sei deshalb sinnvoll, den Ausbau der Linien ins Umland und Verbesserungen im Schienenpersonennahverkehr fortzusetzen, wirbt der VWG-Chef.
Der Busverkehr hat nach Emschermanns Einschätzung dabei nicht nur für den Einpendelverkehr eine höhere Bedeutung als der Radverkehr. „Nicht zuletzt aufgrund der demografischen Entwicklung halte ich das Potenzial beim Radverkehr in Oldenburg für weitgehend ausgeschöpft.“