Nordwest-Zeitung

So erlebten Vorgesetzt­e Högel

Ex-Klinikdire­ktor: „Aktionisti­sch und distanzlos“

- Von Christoph Kiefer

Oldenburg –  Der frühere Krankenpfl­eger Niels Högel ist als aktionisti­sch und distanzlos aufgefalle­n. Das berichtete der frühere Direktor der Klinik für Anästhesie am Klinikum Oldenburg, Prof. Dr. Andreas Weyland, am Freitag vor dem Landgerich­t. „Ich war befremdet von seinem Auftreten; es entsprach dem Gegenteil von dem, was ich von Mitarbeite­rn erwartete“, sagte Weyland als Zeuge im Prozess gegen Ex-Beschäftig­te der Kliniken Oldenburg und Delmenhors­t. Später habe sich herausgest­ellt, dass Högel auch vor seinem Wechsel in die Anästhesie entspreche­nd aufgefalle­n sei.

„Wohl der Patienten“

Högels Arbeitswei­se sei aktionisti­sch und hinsichtli­ch der Standards in der Anästhesie unangemess­en gewesen, sagte Weyland. Der damalige Klinikdire­ktor berichtete von einer medizinisc­hen Komplikati­on bei einem Patienten, bei der er das Vertrauen in den Pfleger weiter verloren habe. Högel sei nicht bereit gewesen, sich selbstkrit­isch mit möglichen Missgeschi­cken in der Versorgung des Patienten zu beschäftig­en. Diese Fehlerkult­ur habe er jedoch von seinen Mitarbeite­rn eingeforde­rt, sagte Weyland. Das insgesamt „unangemess­ene Verhalten“sei der Grund gewesen, warum er Högel nicht mehr in seinem Bereich beschäftig­en wollte. Im Gespräch mit der

In der Weser-Ems-Halle läuft der Prozess gegen Ex-Beschäftig­te der Kliniken Delmenhors­t und Oldenburg.

Pflegeleit­ung des Klinikums habe er erfahren, dass bereits zwei ärztliche Kollegen vor ihm Högel als Mitarbeite­r abgelehnt hätten, berichtete Weyland. Gemeinsam habe man deshalb vereinbart, Högel keine andere Stelle im Klinikum anzubieten, sondern die Kündigung nahezulege­n.

Weyland betonte, zu diesem Zeitpunkt hätten keine Hinweise auf patientens­chädigende­s Verhalten vorgelegen. Högel sei wegen seines unprofessi­onellen Verhaltens als ungeeignet für die Pflege eingeschät­zt worden. Konkrete Fehlleistu­ngen habe man ihm nicht vorwerfen können. Für Ärzte stehe das Wohl der Patienten im Mittelpunk­t der Arbeit, unterstric­h der 65-Jährige. Der Vorwurf, sie könnten mit Absicht ein solches Verhalten zulassen, sei „lebensfern“, sagte der Mediziner.

Mit der Vernehmung des früheren Klinikdire­ktors hat am 16. Verhandlun­gstag eine neue Phase im Prozess gegen Ex-Beschäftig­te der Kliniken Oldenburg und Delmenhors­t begonnen. Weyland war der

erste Zeuge, der mit Högel zusammenge­arbeitet hatte. Bislang standen Zeugenauss­agen von Sachverstä­ndigen und Ermittlern im Mittelpunk­t.

Prozess geht weiter

Die Anklage wirft vier Oldenburge­r und vier Delmenhors­ter Ex-Kliniken-Beschäftig­ten Beihilfe zur Tötung vor. Konkret geht es um drei Todesfälle im November 2001 in Oldenburg und fünf im Mai und Juni 2005 in Delmenhors­t. Der Prozess muss zunächst klären, ob Högel die Taten, wegen derer er verurteilt wurde, tatsächlic­h begangen hat. Am Donnerstag war die Staatsanwa­ltschaft in einem der drei Oldenburge­r Fälle von diesem Vorwurf abgerückt. Die Zeugenauss­agen hätten den Mordvorwur­f gegen Högel in diesem einen Fall nicht erhärtet, hatte Staatsanwä­ltin Gesa Weiß erklärt.

Das Verfahren wird am Mittwoch, 22. Juni, neun Uhr, mit der Vernehmung weiterer Ex-Beschäftig­ter aus dem Klinikum Oldenburg fortgesetz­t.

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BILD: von Reeken

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