So erlebten Vorgesetzte Högel
Ex-Klinikdirektor: „Aktionistisch und distanzlos“
Oldenburg – Der frühere Krankenpfleger Niels Högel ist als aktionistisch und distanzlos aufgefallen. Das berichtete der frühere Direktor der Klinik für Anästhesie am Klinikum Oldenburg, Prof. Dr. Andreas Weyland, am Freitag vor dem Landgericht. „Ich war befremdet von seinem Auftreten; es entsprach dem Gegenteil von dem, was ich von Mitarbeitern erwartete“, sagte Weyland als Zeuge im Prozess gegen Ex-Beschäftigte der Kliniken Oldenburg und Delmenhorst. Später habe sich herausgestellt, dass Högel auch vor seinem Wechsel in die Anästhesie entsprechend aufgefallen sei.
„Wohl der Patienten“
Högels Arbeitsweise sei aktionistisch und hinsichtlich der Standards in der Anästhesie unangemessen gewesen, sagte Weyland. Der damalige Klinikdirektor berichtete von einer medizinischen Komplikation bei einem Patienten, bei der er das Vertrauen in den Pfleger weiter verloren habe. Högel sei nicht bereit gewesen, sich selbstkritisch mit möglichen Missgeschicken in der Versorgung des Patienten zu beschäftigen. Diese Fehlerkultur habe er jedoch von seinen Mitarbeitern eingefordert, sagte Weyland. Das insgesamt „unangemessene Verhalten“sei der Grund gewesen, warum er Högel nicht mehr in seinem Bereich beschäftigen wollte. Im Gespräch mit der
In der Weser-Ems-Halle läuft der Prozess gegen Ex-Beschäftigte der Kliniken Delmenhorst und Oldenburg.
Pflegeleitung des Klinikums habe er erfahren, dass bereits zwei ärztliche Kollegen vor ihm Högel als Mitarbeiter abgelehnt hätten, berichtete Weyland. Gemeinsam habe man deshalb vereinbart, Högel keine andere Stelle im Klinikum anzubieten, sondern die Kündigung nahezulegen.
Weyland betonte, zu diesem Zeitpunkt hätten keine Hinweise auf patientenschädigendes Verhalten vorgelegen. Högel sei wegen seines unprofessionellen Verhaltens als ungeeignet für die Pflege eingeschätzt worden. Konkrete Fehlleistungen habe man ihm nicht vorwerfen können. Für Ärzte stehe das Wohl der Patienten im Mittelpunkt der Arbeit, unterstrich der 65-Jährige. Der Vorwurf, sie könnten mit Absicht ein solches Verhalten zulassen, sei „lebensfern“, sagte der Mediziner.
Mit der Vernehmung des früheren Klinikdirektors hat am 16. Verhandlungstag eine neue Phase im Prozess gegen Ex-Beschäftigte der Kliniken Oldenburg und Delmenhorst begonnen. Weyland war der
erste Zeuge, der mit Högel zusammengearbeitet hatte. Bislang standen Zeugenaussagen von Sachverständigen und Ermittlern im Mittelpunkt.
Prozess geht weiter
Die Anklage wirft vier Oldenburger und vier Delmenhorster Ex-Kliniken-Beschäftigten Beihilfe zur Tötung vor. Konkret geht es um drei Todesfälle im November 2001 in Oldenburg und fünf im Mai und Juni 2005 in Delmenhorst. Der Prozess muss zunächst klären, ob Högel die Taten, wegen derer er verurteilt wurde, tatsächlich begangen hat. Am Donnerstag war die Staatsanwaltschaft in einem der drei Oldenburger Fälle von diesem Vorwurf abgerückt. Die Zeugenaussagen hätten den Mordvorwurf gegen Högel in diesem einen Fall nicht erhärtet, hatte Staatsanwältin Gesa Weiß erklärt.
Das Verfahren wird am Mittwoch, 22. Juni, neun Uhr, mit der Vernehmung weiterer Ex-Beschäftigter aus dem Klinikum Oldenburg fortgesetzt.