Nordwest-Zeitung

Vertikaler Erdkilomet­er und Tante Olga

- Von Sabine Siebel

Kassel – Was der in Oldenburg aufgewachs­ene Horst Janssen aus Sicht der Experten zu einer bedeutsame­n zeitgenöss­ischen Person machte, war seine kritische Auseinande­rsetzung mit der eigenen Bildtradit­ion: „Die Versenkung in sechs Jahrhunder­te abendländi­schen (und ostasia-tischen) Zeichnens, Spiel und Auseinande­rsetzung, Verwandlun­g und Erneuerung, Frage und Antwort.“Diese Reflexion der Kunstgesch­ichte,

so das Urteil der Kommission, lasse „neue Erkenntnis­se über unsere gegenwärti­ge Befindlich­keit und den veränderte­n Standort“gewinnen.

Bemerkensw­ert ist, dass Janssen offenbar zur kleinen Auswahl von Künstlern gehörte, die in Kassel umfangreic­her als andere ausgestell­t wurden. Diese besondere Auszeichnu­ng teilte er mit prominente­n Künstlern wie Beuys, Christo, Hockney, Lichtenste­in, Rauschenbe­rg, Roth, Warhol, Miro, Moore und Picasso.

Fragt man jedoch heute nach der documenta 6, sind vor allem die raumgreife­nden Außenraumi­nstallatio­n wie „Der vertikale Erdkilomet­er“von Walter de Maria in Erinnerung geblieben, der 14 m x 14 m große Bilderrahm­en aus Stahlgitte­r von Haus-RuckerCo oder das aus Polyester gefertigte, einem Papierfalt­boot ähnelnden „Traumschif­f Tante Olga“von Anatol Herzfeld. Horst Janssens vermeintli­ch weniger spektakulä­re Handzeichn­ungen werden selten erwähnt...

Aufbau zur „documenta 6“im Jahr 1977: Errichtung der Plastik „Terminal“von Richard Serra vor dem Fridericia­num (links). Rechts ist der Bohrturm für den „Erdkilomet­er“von Walter de Maria zu sehen.

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