Kazuo Ishiguro: Was vom Tage übrig blieb (1989)
Kazuo Ishiguro ist trotz seiner japanischen Herkunft – die ersten sechs Jahre seines Lebens verbrachte er in Nagasaki ein durch und durch englischer Erzähler. Auch sein
das Lord Darlington. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg hat Mylord eine Gesellschaft von Gleich- und Ähnlichgesinnten nach Darlington Hall eingeladen, um dessen Ausbruch noch zu verhindern.
Stevens entstammt einer Butlerdynastie; sich seinen Vorvätern würdig zu erweisen, ist sein höchstes Ziel. Außerdem ist Stevens ein unzuverlässiger Erzähler, das heißt, Ishiguro manipuliert den Leser, der, fixiert auf Stevens’ unglückliche Liebesgeschichte, den politischen Hintergrund fast übersehen könnte.
Genau wie Stevens, der
Klaus Modick Bernd Eilert. stoisch seine Pflicht tut. Diese Sekundärtugend lässt sich mit Ansichten, die über sein Arbeitsgebiet hinausgehen, oder Gefühlen, die andere für menschlich halten, nicht vereinbaren. Seine unbedingte Loyalität lässt ihn die Affinität seines Dienstherrn zu faschistischen Ideen ignorieren.
Bereits zu Beginn des Romans, der sich zum größeren Teil aus Rückblenden zusammensetzt, steht Stevens vor den Trümmern seines Lebens, als er sich sein Scheitern eingesteht, ist es zu spät. Was vom Tage übrig bleibt, ist ein trauriger Rest.
Ishiguros Prosa ist genau so diskret wie Stevens’ Beichte, Geheimnisse werden nicht ausgesprochen, Verdachtsmoist mente nur angedeutet, ein Urteil bleibt dem Leser überlassen. Und es fällt schwer, über Stevens’ Engherzigkeit den Stab zu brechen, ihn als Opfer einer Klassengesellschaft zu sehen, ist ebenso unmöglich.
Wäre Mitleid angebracht? Ishiguro macht es uns schier unmöglich, etwas anderes als tiefe Traurigkeit zu empfinden.
Das Buch: Kazuo Ishiguro: Was vom Tage übrigblieb (1989). Die Kolumne „Ein Jahrhundert – 100 Bücher“erscheint regelmäßig exklusiv in dieser Zeitung.