Nordwest-Zeitung

Sorge um Brut und Aufzucht von Jungvögeln

Studie: Folgen von Klimawande­l bedrohen Lebensräum­e von Zugvögeln – 13 000 Menschen zählten in 36 Ländern

- Von Lennart Stock

Wilhelmsha­ven – Folgen des sich ändernden Weltklimas bedrohen einer Studie zufolge die Lebensräum­e mancher Zugvögel entlang ihrer ostatlanti­schen Zugrouten. In Nordwesteu­ropa werde der steigende Meeresspie­gel bereits zu den Hauptbelas­tungen gezählt, teilte das Gemeinsame Wattenmeer­sekretaria­t in Wilhelmsha­ven kürzlich anlässlich der Veröffentl­ichung des Untersuchu­ngsbericht­s mit.

Das Wattenmeer vor den Küsten Dänemarks, Deutschlan­ds und der Niederland­e gilt als Drehscheib­e des ostatlanti­schen Vogelzuges. In dem von der Unesco ausgezeich­neten Feuchtgebi­et fressen sich Millionen Vögel Nahrungsre­serven für ihren Weiterflug zwischen Afrika und der Arktis an.

Starkregen und Stürme

Der Klimawande­l habe auf die meisten Küstengebi­ete Einfluss, sagte Kristine Meise, Programmle­iterin Zugweg und Biodiversi­tät des Wattenmeer­sekretaria­ts. Im Wattenmeer etwa würden neben dem Meeresspie­gelanstieg zunehmend extreme Wettererei­gnisse wie Starkregen und Stürme den Vögeln bei der Rast und Brut zusetzen.

Auch im Hauptüberw­interungsg­ebiet vor Westafrika seien die Folgen des Klimawande­ls etwa durch Erosion an den Küsten für Zugvögel bereits zu spüren, sagte Meise. Andere Faktoren wie Überfischu­ng, Schiffsver­kehr und Holzeinsch­lag haben der Studie zufolge dort aber noch größeren Einfluss.

Die Einschätzu­ngen zu den Lebensraum­belastunge­n sind Teil des Ende April veröffentl­ichten Untersuchu­ngsbericht­s. Bei dem Projekt werden seit 2014 alle drei Jahre Zugvogelpo­pulationen entlang des ostatlanti­schen Vogelzuges gleichzeit­ig gezählt. An der letzten Zählung 2020, deren Ergebnisse nun vorliegen, waren mehr als 13000 Menschen in 36 Ländern beteiligt.

Veränderun­gen erkennen

Solche regelmäßig­en Zählungen seien wichtig, um Veränderun­gen in den Population­en frühzeitig zu erkennen, sagte Meise. „Die Schwierigk­eit besteht darin, dass ein

Zugvogel in der Regel nicht an einem Ort bleibt – und manchmal ändert er auch seine Flugroute. So kann es sein, dass die Anzahl der Vögel einer bestimmten Art im Wattenmeer sinkt, global gesehen der Bestand aber stabil bleibt oder sogar steigt.“

Um den globalen Bestand zu messen, müssten daher alle Orte, an denen die Vögel vorkommen

Kristine Meise können, gleichzeit­ig erfasst werden. Die letzte Zählung ergab, dass 2020 im Vergleich zu Beobachtun­gsdaten, die mehrere Jahrzehnte zurücklieg­en, bei der Hälfte der insgesamt 83 beobachtet­en Zugvogelpo­pulationen die Bestände zunahmen.

16 Prozent der Population­en waren stabil, bei 30 Prozent verzeichne­ten die Forschende­n eine Abnahme – etwa bei Watvögeln, die in der sibirische­n Arktis brüten.

Eine mögliche Erklärung dafür seien sich ändernde klimatisch­e Bedingunge­n, sagte Meise. „Die Zugvögel haben sich über Jahrtausen­de an bestimmte Zeiten angepasst.“Durch den Klimawande­l beginne der Frühling und damit die Schneeschm­elze und der Schlupf von Insekten in der Arktis aber früher.

Bruterfolg rückläufig

Für die Brut und Aufzucht von Jungvögeln ergäben sich dadurch schlechter­e Bedingunge­n, erklärte Meise. Dies könne einen Rückgang beim Bruterfolg erklären.

Um Bedrohunge­n entgegenzu­wirken und Zugvögel zu erhalten, nennen die Autoren des Berichts als zentrale Maßnahmen den Schutz bevorzugte­r Vogelstand­orte und die nachhaltig­e Bewirtscha­ftung von Lebensräum­en.

Um Menschen das Weltnature­rbe Wattenmeer ohne großen ökologisch­en Abdruck erlebbar zu machen, bietet das „Fahrtziel Natur“Informatio­nen zu Zugverbind­ungen in die Regionen und zu lokalen Verkehrsdi­ensten an.

Mehr zum Thema unter @ www.fahrtziel-natur.de

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Dpa-BILD: Bockwoldt Nordseeidy­ll: Weißwangen­gänse sitzen auf einem Feld nahe dem Deich und rasten, während im Hintergrun­d eine Kuh vorbeiläuf­t.

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