Neue Ernährungspolitik nötig
Klimaaktivistin Theresia Crone über Ukraine-Krieg und Landwirtschaft
Als die Corona-Pandemie unsere gesellschaftlichen Abläufe lahmlegte, mussten wir feststellen, dass wir einige Probleme zu lange ignoriert hatten. Auf einmal wurden die prekären Verhältnisse in der Pflege oder der Stillstand im Bildungssystem für alle öffentlich sichtbar. Globale Krisen zeigen uns immer wieder, welche Themen und welche Probleme die Politik bisher nicht ernst genug genommen hat. Das wohl aktuellste Beispiel ist der Krieg Russlands in der Ukraine, der die politische Landschaft in Deutschland nicht umsonst auf den Kopf gestellt hat.
Biden für Eskalation
SPD-Politiker wie Manuela Schwesig und Gerhard Schröder mussten feststellen, dass die gemeinsamen klimaschädlichen Projekte wie Nord Stream 2 mit dem „lupenreinen Demokraten“Wladimir Putin weder lupenrein noch demokratisch waren. Diese Russlandpolitik hat einen Boden für diplomatische Eskalation geschaffen, die so weit führte, dass der ukrainische Botschafter den deutschen Bundeskanzler eine „beleidigte Leberwurst” nannte. Neben Kriegsverbrechen, Waffenfragen und der Energieversorgung rückt nun ein weiteres Thema stärker in den Fokus – und es ist wortwörtlich der Boden für eine Eskalation: die Landwirtschaft.
Zu wenig Getreide
Durch den Klimakollaps und die Pandemie gab es bereits vergangenes Jahr Getreide-Engpässe und damit Millionen hungernde Menschen. Darüber wollten Politik und Medien aber nicht so gerne redieser den. Dieses Jahr herrscht Krieg in der „Kornkammer Europas“und der UN-Generalsekretär warnt vor einem „Hurrikan des Hungers“. Besonders Länder in Nordafrika sind auf das Getreide in der Ukraine und Russland angewiesen, welches jetzt nicht mehr ausreichend exportiert wird.
Dazu kommt ein DüngerMangel. Der wurde bisher vor allem von Russland exportiert. Ohne Stickstoffdünger können wir seit der Industrialisierung der Landwirtschaft kein Getreide mehr anbauen. Experten gehen also davon aus, dass bis zu 100 Millionen Menschen durch diesen Krieg zusätzlich an Hunger leiden werden. Mit diesem Ziel zerbombt Russland ukrainische Getreidesilos und blockiert Häfen, die das Getreide exportieren können. Putin nutzt den Hunger und die daraus resultierende Abhängigkeit bewusst als Kriegswaffe.
Das Beeindruckende ist, dass wir genau wissen, wie wir in Europa mit dieser Getreidekrise umgehen müssten. In Deutschland wird nur 20 Prozent des geernteten Getreides direkt für die Ernährung von Menschen verwendet. Wir nutzen mehr als die Hälfte der Getreideernte, um Tiere zu ernähren – die wir dann in Form von Salami, Fleischwurst oder Schnitzel essen. Grundsätzlich wäre das kein Problem, doch bei diesem sogenannten „Veredelungsprozess“gehen bis zu 90 Prozent der Nährstoffe verloren. Anstatt mit der Nahrung Hunger zu stillen, ermöglicht diese Gewichtung den Privilegierten Welt mehrmals täglich Fleischkonsum. Viele der Futterflächen könnten mit den Anbau von Dinkel, Roggen und Hülsenfrüchten den Umweg tierischer Produkte ersetzen. Und das Grünland kann bei extensiver Bewirtschaftung oder Weidehaltung zur Artenvielfalt beitragen und große Mengen Kohlenstoffdioxid aufnehmen.
Weniger Fleisch essen
Dabei hilft es, wenn Verbraucher statt jeden Tag nur noch einmal wöchentlich Fleisch essen oder sogar komplett verzichten. Aber das reicht nicht aus für die großen Veränderungen, die wir brauchen. Landwirte müssen sich auf nachhaltige Bewirtschaftung umstellen, und die Politik muss den Rahmen schaffen. Wenn die Europäische Union geschlossen vorangeht und aufhört, Massentierhaltung, die Trockenlegung von Mooren und andere klimaschädliche Verfahren zu subventionieren, wird das auch die globale Art, mit den begrenzten Flächen umzugehen, verändern.
Die Agrarwende
Ähnlich wie bei der Energiewende geht es bei der Agrarwende nicht nur darum, die Klimakrise zu bekämpfen, sondern auch darum, die Unabhängigkeit von Diktatoren wie Putin herzustellen. Wenn unser Bundeskanzler von einer „Zeitenwende“spricht, muss er sich klarmachen, dass wir eine neue Ernährungspolitik brauchen.
Das Positive: Scholz wird so international dann nicht mehr als „beleidigte Leberwurst“bekannt sein, sondern maximal als „beleidigter Tofu“.