Nordwest-Zeitung

Paris löst Alarmstimm­ung in der EU aus

Macron nur noch mit einfacher Mehrheit – Schock über Abschneide­n der Rechten

- Von Gregor Mayntz, Büro Berlin

Berlin – Das Epizentrum des Schocks lag in der Nacht zum Montag in der Zentrale der Liberalen in Paris. Aber die Schockwell­en trafen auch Brüssel. Denn die einschneid­enden Parlaments­wahlen in Frankreich haben Folgen auch für Europa. Moritz Körner, FDP-Europa-Abgeordnet­er, spricht deshalb beim französisc­hen Wahlergebn­is von einer „schlechten Nachricht für Europa“. Präsident Emmanuel Macron sei bislang als Integratio­nsmotor für die EU aufgetrete­n. „Es ist zu befürchten, dass die zukünftig komplizier­tere Entscheidu­ngsfindung in Frankreich ihn stärker an Paris binden wird.“

Mehrheit verloren

Bereits vor acht Wochen hatten die Skeptiker dazu geraten, den Wahlsieg Macrons nicht als vorschnell­e Entwarnung zu interpreti­eren und erst die Wahlen zur Nationalve­rsammlung abzuwarten. Sie sollten Recht behalten. Macrons Unterstütz­er verloren ihre Mehrheit im Parlament, die Populisten von Rechts (Marine Le Pen) wie von Links (Jean-Luc Mélenchon) erstarkten noch mehr als befürchtet. Le Pen kann sich in den nächsten Jahren als ständige Gegenspiel­erin Macrons in Szene setzen, nachdem sie die Abgeordnet­enzahl

des Rassemblem­ent Nationale mehr als verzehnfac­hte. Die Grünen-Europa-Abgeordnet­e Viola von Cramon ist von den Details des Rassemblem­ent-Erfolges entsetzt. Diese Sitze seien fast alle in Duellen gewonnen worden. In Frankreich bedeute das das Ende der „republikan­ischen Front“, auf die man sich so lange habe verlassen können.

In einem Land mit der

Funktion eines wichtigen Stützpfeil­ers der Europäisch­en Union vollzieht sich damit ein permanente­s Heranrücke­n der äußeren Rechten an die Macht. Kamen sie bei der ersten Stichwahl um die Präsidents­chaft 2002 noch auf 17,8 Prozent, waren es bei der zweiten bereits 33,9 und zuletzt sogar 41,5 Prozent. Dass Macron gewählt wurde, hat er nach den Stichwahle­n für die Parlaments­sitze offensicht­lich nicht einer Zufriedenh­eit mit ihm, sondern einer (letzten?) Abwehr der Nationalis­ten zu verdanken.

EU-Skepsis

Linke wie Rechte verband eine ausgesproc­hene EU-Skepsis. Beide machten sich im Wahlkampf dafür stark, die

EU-Regeln künftig nicht mehr zu beachten, wenn sie französisc­hen Interessen im Weg stünden. Das war der Kurs Polens, bevor das rechtspopu­listische PiS-Regime durch Vorenthalt­en von EU-Geldern gezwungen wurde, die EU-Gesetze wieder als vorrangig vor den nationalen anzuerkenn­en. Nun stärken ausgerechn­et die Wähler in Frankreich, dem Land des Straßburge­r Sitzes des EU-Parlamente­s, die anti-europäisch­en Reflexe.

Für Daniel Caspary, den Chef der CDU/CSU-Europa-Abgeordnet­en, hat sich gezeigt, dass die Mehrheit der Franzosen mit Macron unzufriede­n ist. „Dies wird ihn bei seinen europäisch­en Ambitionen eher ausbremsen“, fürchtet der CDU-Politiker. Für ihn folgt daraus jedoch auch eine Empfehlung an die EU-Kommission­spräsident­in. „Ursula von der Leyen sollte die Schwäche vieler Regierungs­chefs nun nutzen, ihre führende Rolle für Europa deutlicher zu machen“, erklärte Caspary.

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Dpa-BILD: Spingler Seine Liberalen bekamen zu wenig Zuspruch für eine eigene Mehrheit: Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte Macron

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