Neuer Kurs: Strom aus Kohle statt Gas
Deutsche Industrie begrüßt die Pläne von Wirtschaftsminister Habeck
Berlin – Die Industrie unterstützt Pläne von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), den Gasverbrauch angesichts gedrosselter russischer Lieferungen zu senken. „Wir müssen den Verbrauch von Gas so stark wie möglich reduzieren, jede Kilowattstunde zählt“, sagte Industriepräsident Siegfried Russwurm: „Priorität muss sein, die Gasspeicher zu füllen für den kommenden Winter.“
Was geplant ist
Habeck will zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um Gas einzusparen und die Vorsorge zu erhöhen. Er bezeichnete die Situation als ernst. Um gegenzusteuern, soll der Einsatz von Gas für die Stromerzeugung und Industrie gesenkt werden, und es sollen mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen. Sie sollen die Stromerzeugung in mit Erdgas befeuerten Kraftwerken so weit wie möglich ersetzen. Die Befüllung
der Gasspeicher soll vorangetrieben werden.
Die in Reserve stehenden Braunkohle-Kraftwerke könnten in einem relativ überschaubaren Zeitraum wieder angefahren werden, sagte die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae, am Montag im ARD-Morgenmagazin. Bei Steinkohle gehe es auch, aber dafür müsste diese importiert und bevorratet werden.
Im ZDF-„heute journal“zeigte sich der Wirtschaftsminister zuversichtlich, dass die Versorgung für kommenden Winter sichergestellt werden könne. „Entscheidend ist, dass die Gasspeicher zum Winter hin gefüllt sind – und zwar bei 90 Prozent liegen.“Derzeit seien es 57 Prozent. Es sei „eine Art Armdrücken“, bei dem Kremlchef Wladimir Putin zunächst den längeren Arm habe. „Aber das heißt nicht, dass wir nicht durch Kraftanstrengung den stärkeren Arm bekommen könnten“, sagte Habeck.
Russwurm sagte, Deutschland müsse möglichst viele andere Quellen auftun. Unternehmen müssten umstellen zum Beispiel auf Öl, wo das gehe. „Aber eine Reihe industrieller Prozesse funktioniert nur mit Gas. Ein Gasmangel droht zum Stillstand von Produktion zu führen.“Die Gasverstromung müsse gestoppt und es müssten sofort Kohlekraftwerke aus der Reserve geholt werden, bekräftigte Russwurm.
Erneuerbare Energien müssten deutlich beschleunigt werden.
Die Chemie-Industrie
Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, Wolfgang Große Entrup, sagte, Deutschland müsse zügig und pragmatisch alle Möglichkeiten nutzen, Gas da einzusparen, wo es ersetzbar sei. Vor allem beim Umstieg der Stromgewinnung von Gas auf Kohle müssten umgehend alle Kapazitäten genutzt werden können. Das von Habeck angekündigte Gasauktionsmodell zur Einsparung von Industriegas begrüßte er als marktwirtschaftliches Instrument.
Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Stadtwerkeverbands VKU, sagte, „vor allem eine Rückkehr von Kohlekraftwerken an den Strommarkt ist zielführend.“Der VKU warne aber vor einer pauschalen Untersagung von Gasverstromung oder Strafzahlungen.