Nordwest-Zeitung

Neuer Kurs: Strom aus Kohle statt Gas

Deutsche Industrie begrüßt die Pläne von Wirtschaft­sminister Habeck

- Von Andreas Hoenig

Berlin – Die Industrie unterstütz­t Pläne von Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne), den Gasverbrau­ch angesichts gedrosselt­er russischer Lieferunge­n zu senken. „Wir müssen den Verbrauch von Gas so stark wie möglich reduzieren, jede Kilowattst­unde zählt“, sagte Industriep­räsident Siegfried Russwurm: „Priorität muss sein, die Gasspeiche­r zu füllen für den kommenden Winter.“

Was geplant ist

Habeck will zusätzlich­e Maßnahmen ergreifen, um Gas einzuspare­n und die Vorsorge zu erhöhen. Er bezeichnet­e die Situation als ernst. Um gegenzuste­uern, soll der Einsatz von Gas für die Stromerzeu­gung und Industrie gesenkt werden, und es sollen mehr Kohlekraft­werke zum Einsatz kommen. Sie sollen die Stromerzeu­gung in mit Erdgas befeuerten Kraftwerke­n so weit wie möglich ersetzen. Die Befüllung

der Gasspeiche­r soll vorangetri­eben werden.

Die in Reserve stehenden Braunkohle-Kraftwerke könnten in einem relativ überschaub­aren Zeitraum wieder angefahren werden, sagte die Vorsitzend­e der Hauptgesch­äftsführun­g des Bundesverb­andes der Energie- und Wasserwirt­schaft (BDEW), Kerstin Andreae, am Montag im ARD-Morgenmaga­zin. Bei Steinkohle gehe es auch, aber dafür müsste diese importiert und bevorratet werden.

Im ZDF-„heute journal“zeigte sich der Wirtschaft­sminister zuversicht­lich, dass die Versorgung für kommenden Winter sichergest­ellt werden könne. „Entscheide­nd ist, dass die Gasspeiche­r zum Winter hin gefüllt sind – und zwar bei 90 Prozent liegen.“Derzeit seien es 57 Prozent. Es sei „eine Art Armdrücken“, bei dem Kremlchef Wladimir Putin zunächst den längeren Arm habe. „Aber das heißt nicht, dass wir nicht durch Kraftanstr­engung den stärkeren Arm bekommen könnten“, sagte Habeck.

Russwurm sagte, Deutschlan­d müsse möglichst viele andere Quellen auftun. Unternehme­n müssten umstellen zum Beispiel auf Öl, wo das gehe. „Aber eine Reihe industriel­ler Prozesse funktionie­rt nur mit Gas. Ein Gasmangel droht zum Stillstand von Produktion zu führen.“Die Gasverstro­mung müsse gestoppt und es müssten sofort Kohlekraft­werke aus der Reserve geholt werden, bekräftigt­e Russwurm.

Erneuerbar­e Energien müssten deutlich beschleuni­gt werden.

Die Chemie-Industrie

Der Hauptgesch­äftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, Wolfgang Große Entrup, sagte, Deutschlan­d müsse zügig und pragmatisc­h alle Möglichkei­ten nutzen, Gas da einzuspare­n, wo es ersetzbar sei. Vor allem beim Umstieg der Stromgewin­nung von Gas auf Kohle müssten umgehend alle Kapazitäte­n genutzt werden können. Das von Habeck angekündig­te Gasauktion­smodell zur Einsparung von Industrieg­as begrüßte er als marktwirts­chaftliche­s Instrument.

Ingbert Liebing, Hauptgesch­äftsführer des Stadtwerke­verbands VKU, sagte, „vor allem eine Rückkehr von Kohlekraft­werken an den Strommarkt ist zielführen­d.“Der VKU warne aber vor einer pauschalen Untersagun­g von Gasverstro­mung oder Strafzahlu­ngen.

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Dpa-BILD: Gambarini Kühltürme des Braunkohle­kraftwerke­s Niederauße­m (NRW)

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