Nordwest-Zeitung

Die Zukunft der Pflege ist digital

Europäisch­e Wissenscha­ftler treffen sich in Oldenburg – Deutschlan­d im Vergleich weit hinten

- Von Friederike Liebscher

Oldenburg – Rezepte für Medikament­e gibt es ausgedruck­t auf Papier, Arztbriefe werden per Post geschickt oder gefaxt und müssen dann erst wieder neu im Computersy­stem erfasst werden: Das Gesundheit­ssystem in Deutschlan­d ist noch nicht sehr digital. Das wird sich in den nächsten Jahren ändern. Damit Krankenhäu­ser und vor allem die Mitarbeite­r auf diesen Wandel vorbereite­t sind, werden am Hanse-Institut in Oldenburg Mitarbeite­r der drei Krankenhäu­ser (Klinikum, Pius und Evangelisc­hes Krankenhau­s) geschult. Um auch die Entwicklun­g in anderen europäisch­en Ländern im Blick zu haben, beteiligt sich das Institut an einem internatio­nalen Erasmus-Projekt. Bei einem Treffen der Arbeitsgru­ppe waren in dieser Woche Wissenscha­ftler und Lehrkräfte aus Polen, Irland und Georgien in Oldenburg zu Besuch.

Vorreiter im Ausland

Schnell wird im Gespräch deutlich: Dort ist man in der Lehre und in den Krankenhäu­sern in der Digitalisi­erung schon weiter. In Georgien wird im Krankenhau­salltag kaum noch mit Papier gearbeitet: Rezepte und Patientend­aten werden digital verarbeite­t. Während der Pandemie hätte man auch die Lehre mehr auf Online-Veranstalt­ungen umgestellt.

Wissenscha­ftler und Lehrkräfte aus Irland, Georgien, Polen und Deutschlan­d arbeiten in Oldenburg an Konzepten für mehr Digitalisi­erung in der Pflege.

In Irland setzt man in der Ausbildung und Lehre voll auf digitale Medien. „Das ist auch nicht anders möglich. Wir haben 100 bis 200 Studenten in unseren Kursen“, berichtet Daniela Lehwaldt von der Dublin City University. „Der Unterricht findet zum Beispiel in einem Raum statt und wird in weitere Räume für die Studenten übertragen.“

Anders als in Deutschlan­d sind in anderen europäisch­en Ländern Berufe in der Pflege schon länger akademisie­rt. Die Ausbildung in der Pflege findet deshalb an Hochschule­n

statt. Das ist auch in Polen so. Dorota Kilanska von der Universitä­t in Lodz berichtet, dass es viele Studierend­e und zu wenig Lehrende gäbe. Schon deshalb wäre die digitale Lehre sehr wichtig. In den großen Krankenhäu­sern im Land seien digitale Patientena­kten und Rezepte schon die Regel, erklärt sie.

Das ist hier noch nicht so. Stefan Westerholt, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r am Hanse-Institut, sagt: „Wir stehen bei diesem Thema in Deutschlan­d europaweit auf einem der letzten Plätze.“Nur wenige Bereiche im Gesundheit­swesen

seien digitalisi­ert. In der Lehre sei während der Corona-Pandemie viel auf Online-Formate gesetzt worden. „Das werden wir auch weiter einsetzen“, so Westerholt. Außerdem sollen digitale Lerninhalt­e entwickelt werden. Das können zum Beispiel Videos sein, die das Anziehen von OP-Handschuhe­n korrekt zeigen. Die Lerninhalt­e sind dann rund um die Uhr verfügbar.

Roboter in der Pflege?

„Man muss die Mitarbeite­r in den Krankenhäu­sern jetzt

auf die Digitalisi­erung vorbereite­n“, sagt Sabine Röseler, Geschäftsf­ührerin des HanseInsti­tuts. „Sie muss von den Pflegekräf­ten als Entlastung gesehen werden, nicht als Mehrarbeit.“

In anderen Ländern schreite die Entwicklun­g schneller voran. „Wir müssen jetzt kluge Entscheidu­ngen treffen und alle Optionen kennen und auch ethisch beraten. Roboter in der Pflege können sich hier zum Beispiel nur wenige vorstellen. In anderen Ländern ist das anders“, sagt sie mit einem Blick in eine mögliche Zukunft.

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BILD: Friederike Liebscher

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