Die Zukunft der Pflege ist digital
Europäische Wissenschaftler treffen sich in Oldenburg – Deutschland im Vergleich weit hinten
Oldenburg – Rezepte für Medikamente gibt es ausgedruckt auf Papier, Arztbriefe werden per Post geschickt oder gefaxt und müssen dann erst wieder neu im Computersystem erfasst werden: Das Gesundheitssystem in Deutschland ist noch nicht sehr digital. Das wird sich in den nächsten Jahren ändern. Damit Krankenhäuser und vor allem die Mitarbeiter auf diesen Wandel vorbereitet sind, werden am Hanse-Institut in Oldenburg Mitarbeiter der drei Krankenhäuser (Klinikum, Pius und Evangelisches Krankenhaus) geschult. Um auch die Entwicklung in anderen europäischen Ländern im Blick zu haben, beteiligt sich das Institut an einem internationalen Erasmus-Projekt. Bei einem Treffen der Arbeitsgruppe waren in dieser Woche Wissenschaftler und Lehrkräfte aus Polen, Irland und Georgien in Oldenburg zu Besuch.
Vorreiter im Ausland
Schnell wird im Gespräch deutlich: Dort ist man in der Lehre und in den Krankenhäusern in der Digitalisierung schon weiter. In Georgien wird im Krankenhausalltag kaum noch mit Papier gearbeitet: Rezepte und Patientendaten werden digital verarbeitet. Während der Pandemie hätte man auch die Lehre mehr auf Online-Veranstaltungen umgestellt.
Wissenschaftler und Lehrkräfte aus Irland, Georgien, Polen und Deutschland arbeiten in Oldenburg an Konzepten für mehr Digitalisierung in der Pflege.
In Irland setzt man in der Ausbildung und Lehre voll auf digitale Medien. „Das ist auch nicht anders möglich. Wir haben 100 bis 200 Studenten in unseren Kursen“, berichtet Daniela Lehwaldt von der Dublin City University. „Der Unterricht findet zum Beispiel in einem Raum statt und wird in weitere Räume für die Studenten übertragen.“
Anders als in Deutschland sind in anderen europäischen Ländern Berufe in der Pflege schon länger akademisiert. Die Ausbildung in der Pflege findet deshalb an Hochschulen
statt. Das ist auch in Polen so. Dorota Kilanska von der Universität in Lodz berichtet, dass es viele Studierende und zu wenig Lehrende gäbe. Schon deshalb wäre die digitale Lehre sehr wichtig. In den großen Krankenhäusern im Land seien digitale Patientenakten und Rezepte schon die Regel, erklärt sie.
Das ist hier noch nicht so. Stefan Westerholt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hanse-Institut, sagt: „Wir stehen bei diesem Thema in Deutschland europaweit auf einem der letzten Plätze.“Nur wenige Bereiche im Gesundheitswesen
seien digitalisiert. In der Lehre sei während der Corona-Pandemie viel auf Online-Formate gesetzt worden. „Das werden wir auch weiter einsetzen“, so Westerholt. Außerdem sollen digitale Lerninhalte entwickelt werden. Das können zum Beispiel Videos sein, die das Anziehen von OP-Handschuhen korrekt zeigen. Die Lerninhalte sind dann rund um die Uhr verfügbar.
Roboter in der Pflege?
„Man muss die Mitarbeiter in den Krankenhäusern jetzt
auf die Digitalisierung vorbereiten“, sagt Sabine Röseler, Geschäftsführerin des HanseInstituts. „Sie muss von den Pflegekräften als Entlastung gesehen werden, nicht als Mehrarbeit.“
In anderen Ländern schreite die Entwicklung schneller voran. „Wir müssen jetzt kluge Entscheidungen treffen und alle Optionen kennen und auch ethisch beraten. Roboter in der Pflege können sich hier zum Beispiel nur wenige vorstellen. In anderen Ländern ist das anders“, sagt sie mit einem Blick in eine mögliche Zukunft.